Düsseldorf EU will Schlupflöcher für Banker-Boni stopfen

Düsseldorf · Seit gestern streitet Brüssel mit Großbritannien vor dem EuGH über die Boni. Das macht eine Teilnahme der Briten an der Finanztransaktionssteuer ab 2016 noch unwahrscheinlicher. Wie hoch die Einnahmen daraus werden, ist offen.

Großbritannien gehört nicht zum gemeinsamen europäischen Währungsraum. Deshalb reagieren die Briten stets sehr empfindlich, wenn die Mitglieder der Euro-Zone ihnen Regeln auferlegen wollen, die aus Sicht der Experten auf der britischen Insel eine Gefahr für den Finanzplatz London darstellen könnten. Dies gilt sowohl für die Finanztransaktionssteuer, deren europaweite Einführung 2012 am Veto unter anderem Großbritanniens scheiterte, als auch für die von Brüssel verordnete Begrenzung von Bonuszahlungen an Bank-Mitarbeiter.

Bei ihrem Versuch, diese Boni-Begrenzung zu stoppen, beißen die Briten in Brüssel bisher auf Granit. Seit gestern wird der Streit vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ausgetragen. In Luxemburg präsentierten die Vertreter Londons in einer mündlichen Verhandlung ihre Einwände gegen die Regelungen der Europäischen Union. Die hat seit Jahresbeginn die Bonuszahlungen auf maximal das Doppelte des Grundgehalts begrenzt. Großbritannien hält diese Praxis für nicht konform mit EU-Recht. Die Klage richtet sich gegen das Europaparlament und den Ministerrat. Verfahren vor dem EuGH dauern meist ein bis zwei Jahre. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung.

Dass noch in diesem Jahr eine Entscheidung fällt, steht nicht zu erwarten. Auf jeden Fall würde sie nicht mehr in die Amtszeit der noch handelnden EU-Kommission fallen, die im Oktober endet. Das gilt dann auch für die Zuständigkeit des französischen Binnenmarktkommissars Michel Barnier. Der möchte nicht nur die Boni-Obergrenzen erhalten, sondern den Briten auch noch einen weiteren Ausnahmetatbestand wegnehmen. Große Banken auf der Insel wie HSBC und Barclays zahlen ihren Mitarbeitern nämlich alle paar Monate Zuschüsse zum Fixgehalt, die bei den EU-Verantwortlichen als versteckte Bonuszahlungen empfunden werden und die bestehenden Obergrenzen sprengen können, weil sie nicht als Boni deklariert werden. Deshalb soll die europäische Bankenaufsicht nach Barniers Vorstellungen noch bis Ende September sagen, ob sie diese Zulagen für rechtmäßig hält.

Eine Reaktion aus London auf Barniers Vorstoß steht noch aus. Die Voraussage, dass die Ideen des noch amtierenden Kommissars in der britischen Finanzmetropole auf wenig Begeisterung stoßen werden, erfordert keinen großen Mut. Der britische Bankenverband lieferte dafür gestern schon einen relativ klaren Hinweis: "Wir glauben, dass Entscheidungen über die Vergütung Sache der Aktionäre sind und nicht der Politiker." Das klingt nicht so, als wenn Barnier in London noch Überzeugungsarbeit leisten könnte.

Dass London und die anderen Großen in Europa beim Thema Boni nicht zueinander finden, macht natürlich auch eine Annäherung in Sachen Finanztransaktionssteuer nicht wahrscheinlicher. Der haben sich bislang elf europäische Länder (Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Österreich, Spanien, Estland, Griechenland, Portugal, die Slowakei und Slowenien) verschrieben. Deutschland erhofft sich durch die Steuer Milliardeneinnahmen. Dass es gleich 18 Milliarden Euro sein könnten, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, davon will das Bundesfinanzministerium nichts wissen. Das Gutachten, auf das sich diese Berechnung stützt, geht nach Angaben des Ministeriums von Voraussetzungen und Szenarien aus, die nicht mehr gültig sind. Das heißt: Die Einnahmen fallen kleiner aus. Die elf EU-Länder wollen die Steuer 2016 einführen. Sie soll zunächst nur auf den Handel mit Aktien und Derivaten (Wetten auf die künftige Wertentwicklung bestimmter Märkte oder Papiere) erhoben werden. Dass Großbritannien nicht mitmachen wird, erscheint unzweifelhaft. Und so bleibt die Befürchtung, dass nach der Einführung der Steuer große Transaktionen an den Finanzplatz London abwandern könnten.

(RP)
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