Brüssel EU untersagt Börsen-Großfusion

Brüssel · EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia wollte mit seinem Verbot eine Monopolstellung im Derivategeschäft verhindern. Konsequenz: Die Deutsche Börse muss sich wieder einen neuen Partner suchen. Börse-Chef Francioni versucht, Optimismus zu verbreiten.

Der deutsch-amerikanische Traum von der weltgrößten Börse ist geplatzt, weil sich die EU-Wettbewerbshüter an der Marktmacht des verhinderten Riesen stießen. "Der Zusammenschluss hätte auf dem Markt für europäische Finanzderivate weltweit zu einer monopolartigen Stellung geführt", sagte EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia. Zusammen hätten beide Unternehmen laut EU die Kontrolle über etwa 90 Prozent des globalen Börsenhandels mit europäischen Derivaten. Eine Fusion schalte daher den Wettbewerb aus, "was der europäischen Wirtschaft insgesamt erheblichen Schaden zugefügt hätte". Almunias Fazit: "Ein Monopol, das zu höheren Preisen und geringen Innovationsanreizen führt, liegt nicht in europäischem Interesse."

Das Aus war erwartet worden – nicht zuletzt, weil die Unternehmen die Auflagen der Brüsseler Wettbewerbshüter für einen Zusammenschluss nicht erfüllen wollten. Das Angebot, die Nyse-Euronext-Tochter Liffe könne ihr Aktienderivate-Geschäft verkaufen, war der Kommission nicht genug. Almunia: "Wir haben versucht, eine Lösung zu finden, aber die angebotenen Abhilfemaßnahmen haben bei weitem nicht ausgereicht, um die Bedenken auszuräumen." Eine Fusion um jeden Preis wollten Deutsche Börse und Nyse Euronext nicht. Denn gerade das Derivategeschäft gilt als besonders lukrativ. Das gesamte Volumen der weltweit gehandelten Derivate liegt bei rund 700 Billionen US-Dollar.

Gegen das Nein aus Brüssel könnten die Konzerne vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Gestern gab es jedoch weder in Frankfurt noch in New York Signale in diese Richtung. Nyse-Chef Duncan Niederauer zeigte sich "enttäuscht, aber nicht überrascht". Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni sagte: "Wir können das EU-Verbot verkraften." Die Deutsche Börse sei gut gerüstet und habe genügend Kraft, um auch ohne die Fusion weiter zu wachsen und erfolgreich zu sein. Experten erwarten, dass sich die Frankfurter nun verstärkt nach Kooperationen in den Wachstumsmärkten Asien und Südamerika umschauen werden.

Mit der Fusion wollten Frankfurt und New York ein Unternehmen schaffen, das es mit den Konkurrenten aus Asien und Amerika aufnehmen kann. Gehör fanden sie mit diesem Argument zumindest bei EU-Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier. Er erhoffte sich zudem von einem in Europa beheimateten Börsenchampion die leichtere Umsetzung EU-Finanz-Standards. Letztlich konnte er das gestrige "Nein" des Brüsseler Kollegiums aber nicht verhindern. Insider sehen zudem die erfolgreiche Lobby-Tätigkeit der Börsen aus Großbritannien und Almunias Heimat Spanien als Mit-Ursache der Ablehnung an.

Für das Management der Deutschen Börse ist der Fusions-Flop eine schwere Niederlage. Mit großem Tamtam war das Projekt vor einem Jahr angekündigt worden. Im dritten Anlauf nach 2008 und 2009 sollte die transatlantische Ehe endlich glücken. Doch es mehrten sich die Widerstände – nicht nur aus Brüssel, sondern auch bei der Deutschen Börse selbst (ein Gutachten kam zu dem Schluss, dass durch die Fusion jeder zweite Job in Gefahr sei) und bei der Börsenaufsicht des Landes Hessen, weil die neue Gesellschaft über die Niederlande gesteuert werden sollte.

(RP)
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