Brüssel/Berlin EU und Japan einig über Freihandel

Brüssel/Berlin · Die Europäische Union und Japan haben eine Grundsatzvereinbarung über ein neues Handelsabkommen unterzeichnet. Bei 99 Prozent aller Produkte sollen Zölle abgebaut werden. Doch einen Streitpunkt gibt es noch.

Die EU und Japan haben unmittelbar vor dem Beginn des G20-Gipfels ein gemeinsames Zeichen gegen Protektionismus und für Freihandel gesetzt: EU-Ratspräsident Donald Tusk und der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe unterzeichneten gestern in Brüssel eine Grundsatzvereinbarung über ein europäisch-japanisches Handelsabkommen, das Anfang 2019 in Kraft treten soll. Es sieht den Abbau von Zöllen für 99 Prozent aller zwischen beiden Partnern gehandelten Waren vor. Japan war vor allem der Abbau der EU-Einfuhrzölle für Autos wichtig, akzeptierte allerdings eine siebenjährige Übergangsphase. Die EU erhebt für Import-Autos bisher zehn Prozent Zoll. Sie setzte ihrerseits Verbesserungen für europäische Agrarprodukte durch, die in Japan beliebt sind. Mehr als 200 europäische Erzeugnisse von ausgewiesener geografischer Herkunft - wie etwa Lübecker Marzipan, Tiroler Speck oder polnischer Wodka - werden besonders geschützt.

Der Termin für die Unterzeichnung war durchaus bewusst gewählt: Beide Seiten wollten vor dem G20-Gipfel ein klares Signal gegen protektionistische Tendenzen in anderen Regierungen setzen. Die EU, vor allem Deutschland, und Japan haben als Exportnationen ein besonders hohes Interesse an einem ungebremsten Welthandel. Das Signal galt vor allem US-Präsident Donald Trump, der gegen hohe Exportüberschüsse anderer Länder gegenüber den USA zu Felde ziehen will. Erst unlängst hat Trump Strafzölle gegen Stahlimporte angedroht. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Trump zudem das amerikanisch-pazifische Handelsabkommen TPP aufgekündigt. Die EU profitiert bereits davon, dass sich die USA handelspolitisch zurückziehen.

Das bilaterale Handelsvolumen betrug im letzten Jahr 144 Milliarden US-Dollar (126 Milliarden Euro). Das Abkommen mit Japan wäre das bisher größte der EU. Abe lobte die Vereinbarung als Geburtsstunde der weltweit größten Freihandelszone. Die EU will möglichst bald weitere Handelsabkommen schließen - mit Mexiko und den Mercosur-Staaten Südamerikas.

Es gibt aber noch Probleme, die in den kommenden Monaten zu lösen sind. So akzeptiert Japan bisher nicht die von der EU vorgeschlagene Lösung zum Investorenschutz. Die EU will wie bereits im Handelsabkommen Ceta mit Kanada einen unabhängigen internationalen Gerichtshof durchsetzen. Er soll angerufen werden, wenn private Investoren Schadenersatz verlangen, weil sie im Partnerland geschädigt wurden, etwa durch plötzliche Gesetzesänderungen. Der Investorenschutz ist ein besonders sensibles Thema. Proteste entzünden sich oft daran, weil aus Sicht der Kritiker aus Investitionsschutzklauseln ein zu großes Erpressungspotenzial für private Investoren gegenüber Staaten und Regierungen erwächst. Der Europa-Abgeordnete Sven Giegold (Grüne) warf der EU vor, die Grundsatzvereinbarung mit Japan überhastet zu schließen, "damit das Abkommen als Willkommensgeschenk für Trump in Europa dienen kann". Dabei seien umstrittene Bausteine wie der Investitionsschutz noch nicht ausverhandelt. "Natürlich sind noch Themen offen, aber das Signal für fairen und freien Handel einen Tag vor dem G20-Gipfel ist wichtig und richtig", argumentierte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD).

Das geplante Abkommen ist vor allem für die Wirtschaft in NRW von besonderer Bedeutung. Aktuell sind rund 600 japanische Unternehmen in Nordrhein-Westfalen angesiedelt, mehr als ein Drittel aller japanischen Firmen in Deutschland. Über die Hälfte unterhalten hier ihre Europazentralen, darunter Denso, Fujifilm, Mitsubishi, Toshiba und Toyota. Etwa 30 Prozent der japanischen Importe gehen nach NRW. Hintergrund: An Rhein und Ruhr leben überdurchschnittlich viele Japaner. Bei den Exporten aus NRW rangiert Japan auf Platz sechs.

(mar)
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