Wolfsburg EU lädt VW-Chef Müller vor

Wolfsburg · Morgen trifft VW-Chef Matthias Müller die EU-Industriekommissarin. Elzbieta Bienkowska erwartet Antworten. Im Aufsichtsrat steht Müller derweil unter verschärfter Beobachtung.

Er wurde geholt, um den Flächenbrand zu löschen, den der Abgasskandal im VW-Konzern ausgelöst hatte. Kein halbes Jahr später kämpft Matthias Müller noch immer gegen die Flammen und droht dabei selbst zu verbrennen. Wie Brandbeschleuniger wirkten zuletzt die Worte, die ausgerechnet Müller in das Mikrofon eines US-Radiosenders sprach: Hinter dem Abgasskandal stecke ein technisches Problem und keins in der Firmenkultur. Es schien, als wolle er Brandstiftung zu einem Unfall verklären.

Auch wenn Müller im Anschluss versuchte, die Worte einzufangen, hallten sie nach. Gestern beschäftigte sich auch das Aufsichtsratspräsidium von Volkswagen mit den Äußerungen. Spekulationen, nach denen Teile des Gremiums Müller schon wieder von der Unternehmensspitze abberufen wollen, dementierte VW gestern jedoch vehement. "Anderweitige Spekulationen entbehren jeder Grundlage und werden ausdrücklich zurückgewiesen", sagte ein Sprecher.

Und doch knirscht es hinter den Kulissen offensichtlich gewaltig. Öffentlich sagen, will das natürlich keiner so richtig. Angeblich fühlen sich die Arbeitnehmervertreter nicht angemessen genug in die Entscheidungen des Unternehmens einbezogen - und das obwohl durch mögliche hohe Strafzahlungen im Skandal auch viele Arbeitsplätze in Gefahr sein könnten. Doch das wollen sich die Männer offenbar nicht so ohne weiteres bieten lassen. Also zündeln sie selbst ein bisschen.

Über die Presse ließen namentlich nicht genannte Vertreter der mächtigen Arbeitnehmerseite mitteilen, man halte von dem angeblich vom VW-Vorstand geplanten Einsatz des früheren FBI-Chefs Louis Freeh als US-Sonderbeauftragter eigentlich nichts. "Wir kennen diese Personalie nicht, und sie steht auch nicht auf der Agenda des Aufsichtsratspräsidiums", hieß es aus VW-Arbeitnehmerkreisen. Man sehe keinerlei Bedarf für die Personalie.

Die "Süddeutsche Zeitung" hatte berichtet, der VW-Vorstand wolle Freeh in der Abgas-Affäre in den USA als Experten und Vermittler einsetzen. Eine ähnliche Rolle hatte er bereits bei Konkurrent Daimler gespielt, als es um die Bewältigung einer Schmiergeldaffäre ging. Bei Daimler wachte er darüber, dass die Geschäfte sauber liefen. Das kam bei den US-Behörden gut an.

Der 66-Jährige würde damit jedoch auch Aufgaben wahrnehmen, die ins Ressort der VW-Vorstandsfrau Christine Hohmann-Dennhardt fallen. Sie war vom Konkurrenten Daimler zu VW gewechselt und ist für "Integrität und Recht" zuständig. Aus VW-Arbeitnehmerkreisen hieß es zu den Spekulationen über Freeh unmissverständlich: "Wir haben Frau Hohmann-Dennhardt für diese Aufgabe. Weiteren Bedarf sehen wir nicht." Dennoch geht die Suche bei VW weiter. Der Konzern plane, weitere externe Spezialisten zu verpflichten, sagte ein Sprecher. Dazu habe das Präsidium ein Kandidatenprofil erörtert.

Eine andere Personalie konnte VW gestern bekanntgeben: Ab April soll Hinrich Woebcken das Nordamerika-Geschäft von VW leiten. Vor seinem Wechsel war der 55-jährige langjährige BMW-Manager beim Zulieferer Knorr Bremse beschäftigt. VW hatte mehrere Monate nach einem Manager für die Problemregion gesucht.

"Herr Woebcken wird mit seiner internationalen Erfahrung einen wichtigen Beitrag zur positiven Entwicklung der Marke in der Region leisten", sagte VW-Markenchef Herbert Diess laut Mitteilung. Die USA seien für die Marke Volkswagen ein wichtiger Kernmarkt. "Deshalb erfolgt die Steuerung der Region Nordamerika im Interesse unserer Kunden und Händler vor Ort."

Für ihn wird es in Zukunft auch darum gehen, die Reputation von Volkswagen auf dem wichtigen Automarkt wieder aufzubauen. Schon vor dem Bekanntwerden des Abgasskandals hat sich VW auf dem US-Markt schwergetan. Nun, mit der Bürde des Skandals, wird es mit Sicherheit nicht leichter.

VW-Chef Müller muss unterdessen nach der Rückkehr von seiner US-Reise auch bei der EU-Kommission vorsprechen. Morgen trifft er in Brüssel EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska. Wie zuvor die Chefin der US-Umweltbehörde EPA will auch sie dem Automanager unangenehme Fragen stellen. "Wir erwarten, dass uns Volkswagen über den Stand der Dinge bei den internen Ermittlungen informiert", sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. Der VW-Chef solle auch über die Maßnahmen zur Behebung der eingetretenen Schäden berichten. Zudem erwarte Bienkowska Antworten darauf, wie betroffene europäische Verbraucher entschädigt werden sollen.

(frin)
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