Düsseldorf Ergo – der große Imageschaden

Düsseldorf · Für den Versicherer kommt es derzeit knüppeldick. Es hagelt Spott in der Öffentlichkeit, Fußball-Meistertrainer Jürgen Klopp ist als Werbe-Ikone abhanden gekommen, und angeblich kehren Kunden dem Unternehmen aus Protest gegen die Party in Budapest den Rücken.

Gut ein Jahr ist es her, dass Jürgen Klopp die Bühne beim Versicherungskonzern Ergo betrat. Damals war der Trainer von Borussia Dortmund noch nicht der Coach eines deutschen Fußball-Meisters, aber immerhin schon sympathischer Co-Kommentator des ZDF bei der Fußball-Weltmeisterschaft gewesen. So einer taugt wunderbar als Leitfigur für jene, die aufsteigen, Erfolg haben, Karriere machen wollen. Und so wurde Klopp von der Ergo-Versicherung als Werbe-Ikone auserkoren für HMI. Dahinter steht die Hamburg-Mannheimer International – der Vertriebsarm der damaligen Ergo-Tochter Hamburg-Mannheimer, der dem Versicherungskonzern dieser Tage wegen der Sex-Affäre in Budapest so unangenehme Schlagzeilen beschert.

Klopp lässt nun seinen Vertrag ruhen. Das Bild des Meistertrainers verträgt sich nicht mit dem Schmuddel-Image, das HMI wegen der Ereignisse in der ungarischen Hauptstadt vor vier Jahren anhaftet. Der Rückzug des Mannes, der bei HMI Seminare und Schulungen machte, ist aber nur eine Hiobsbotschaft von mehreren. Täglich erntet der Konzern Spott und Hohn, und angeblich laufen dem Unternehmen bereits einige Kunden davon – aus Protest gegen die Party und das, was mit den Kundengeldern in Ungarn geschehen ist. "Wir bekommen jeden Tag viel Post, und wir wollen alles beantworten. Wir bemühen uns um größtmögliche Offenheit und Transparenz", sagte gestern ein Ergo-Sprecher. Anzeichen für strafrechtlich relevante Vorgänge hat das Unternehmen bei seinen eigenen Ermittlungen offenbar nicht gefunden.

Aber was hilft das gegen den großen Imageschaden, der durch die Affäre entstanden ist? Seit sechs Tagen diskutiert Deutschland über den Ausflug der 100 Versicherungsvertreter der Ergo-Tochter nach Budapest. Und den Flurschaden wird der Düsseldorfer Konzern noch viel länger zu spüren bekommen. "Je einfacher der Skandal zu verstehen ist, umso mehr bleiben die Vorgänge im Gedächtnis der breiten Öffentlichkeit", sagt Kommunikationsberater Klaus Kocks. "Und da gibt es eben nichts Prägnanteres als einen Sex-Skandal".

Tatsächlich erschüttert die Affäre den Ergo-Konzern und auch den Mutterkonzern Münchener Rück. Die Versicherungsvertreter hatten sich 2007 auf Firmenkosten auf eine Party in Budapest einladen lassen, bei der sich mindestens 20 Prostituierte – ebenfalls auf Konzernkosten – um die Gäste kümmerten. Besonders attraktive Damen waren für besonders gute Verkäufer sowie Top-Manager reserviert.

Dabei trifft der Skandal Ergo genau zum falschen Zeitpunkt. Seit Monaten läuft eine kostspielige Werbe-Kampagne, die Ergo als einheitliche Dachmarke der gesamten Gruppe bekanntmachen soll. Und ausgerechnet jetzt werden die Vorfälle öffentlich. Das ärgerliche Ergebnis: Weil der Versicherer sich so große Mühe gegeben hat, als einheitliche Marke wahrgenommen zu werden, spricht ganz Deutschland nun vom Ergo-Skandal. Vor einem Jahr wäre es noch "nur" ein Hamburg-Mannheimer-Skandal gewesen. "Gerade weil Ergo sich in der Kampagne als besonders nett und sympathisch darstellt, fällt dem Unternehmen dieses Fehlverhalten nun umso mehr auf die Füße" meint Kommunikationsberater Kocks, früher Vorstand beim Autobauer Volkswagen.

Dabei sind sich Experten einig, dass der Konzern, dessen Slogan lautet "Klartext sprechen", vieles richtig macht bei dem Versuch, Licht in die Affäre zu bringen. So wird der Aufklärungswille des Vorstandes gelobt. Das Unternehmen hat nun eine geplante Incentive-Reise zum Formel-1-Rennen nach Monaco am kommenden Wochenende abgesagt, "weil das derzeit nicht ins Bild passt", wie der Ergo-Sprecher sagte.

Konzernchef Torsten Oletzky gab sich jüngst im Nachrichtenmagazin "Spiegel" entsetzt und offen. "Wir sind alle sehr betroffen", sagt er. Den Mitarbeitern sei das alles "unglaublich peinlich". Oletzky versprach: "Wir werden den Vorgang vollständig aufklären." Teilnehmer der Reise werden befragt, Verantwortliche haben die Firma verlassen. Allerdings, so der Ergo-Chef, seien viele der damaligen Reiseteilnehmer noch als selbstständige Vertreter für den Konzern tätig.

Und auch Steuern wurden bei der Veranstaltung offensichtlich nicht hinterzogen: Ergo hat den Teilnehmern der Freiluft-Party von sich aus mitgeteilt, sie müssten die Kosten von pro Kopf 3000 Euro für die gesamte Budapest-Reise als "geldwerten Vorteil" selbst versteuern.

(RP)
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