Lokführer-Streik Erfrischungsgetränke am leeren Bahnsteig

München (RPO). Der Lokführer-Streit hat erneut für viel Verärgerung beim Kunden gesorgt. "Ich habe mich extra vorher im Internet erkundigt und der Zug sollte eigentlich fahren", schimpfte etwa die 20-jährige Marta Weglowski. Aber die Bahn kam trotz aller Zusicherungen nicht.

Streik sorgt für leere Bahnhöfe
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Gemeinsam mit ihrer Freundin fährt die Münchenerin jeden Morgen mit dem Zug nach Landshut zum Studieren. Doch wegen des erneuten Streiks der Lokführer kommen die beiden wieder einmal zu spät. "Das ist nicht mehr lustig", beschweren sie sich und müssen 45 Minuten auf den nächsten Zug warten.

Vielen Pendlern in ganz Deutschland ging es am Donnerstag nicht anders. Den Kaffee in der einen, den Aktenkoffer in der anderen Hand, starrten sie in auffällig leeren Bahnhöfen angestrengt in Richtung Anzeigentafel. Doch da tat sich wenig: "Dieser Zug fällt aus. Bitte Ansagen beachten", verkündeten die blauen Schilder. Wegen des seit Monaten schwelenden Tarifstreits fuhren zahlreiche Regionalzüge nur mit erheblicher Verspätung oder blieben ganz stehen. In den Ballungszentren waren auch die S-Bahnen betroffen, der Fernverkehr fuhr meist planmäßig.

"Am Anfang konnte man das schon noch verstehen, dass die Lokführer mehr Gehalt fordern, aber inzwischen wird das langsam echt zu viel", beschwert sich auch die Pendlerin Bettina Brauer aus Augsburg. Andere Bahnfahrer halten die Forderung der Lokführer nach mehr Geld zwar für deren gutes Recht. Es sei aber besser, wenn die Streiks andere träfen als die "kleinen Leute", heißt es.

"Wenn wir zu spät zur Arbeit kommen, müssen wir das alles nacharbeiten. Das ist natürlich blöd", schimpft etwa Jessica Schneider am Dortmunder Hauptbahnhof. Und eine 71 Jahre alte Rentnerin in Erfurt räumt ein, dass Lokführer zwar mit Sicherheit ein verantwortungsvoller Beruf sei. Sie selbst habe als Krankenschwester aber auch Verantwortung getragen. "Ich weiß nicht, ob es den Lokführern nur ums Geld geht. Ich denke, irgendwie stimmt die ganze Gesellschaft nicht."

Beschimpft wurden die Streikenden nach eigenen Angaben aber noch nicht. Im Gegenteil: "Manche drücken sogar ihre Zustimmung aus oder nehmen einen Handzettel mit", sagt Lokführer Ringo Hamann, der die gelben Blätter mit den Informationen der Gewerkschaft auf dem Hamburger Hauptbahnhof verteilt.

Der 35-Jährige betont die Strapazen seines Berufs: "Unregelmäßige Wechseldienste bedeuten einen Tag Dienstbeginn um 03.00 Uhr, am nächsten Tag um 5.00 Uhr." Es gäbe keine freien Feiertage und Wochenenden, dafür aber oft kurzfristige Dienstpläne, klagt er. "Die Scheidungsrate ist extrem hoch", fügt einer seiner Kollegen hinzu, der sich mit rund 20 weiteren GDL-Mitgliedern mit Streikweste und Plakat auf dem Bahnhof versammelt hat.

Taxifahrer klagen über Umsatzeinbußen

Das Verständnis für den Tarifstreit der Lokführer wird jedoch nicht nur bei den Pendlern auf die Probe gestellt: Vor allem die kleineren Bahnhofsgeschäfte verzeichnen wegen der ausbleibenden Kundschaft deutliche Umsatzrückgänge. "Das ist schon heftig. Die ganzen Pendler kommen so tröpfchenweise", klagt Margit Sporer vom Pressepavillon in München. Gegen 08.00 Uhr morgens hätten in der Regel an die 300 Kunden Zeitungen und Zeitschriften bei ihr gekauft. "Heute waren es in der selben Zeit noch nicht einmal 100. Das ist noch nicht einmal die Hälfte", sagt sie enttäuscht.

Und obwohl die S-Bahn-Fahrer bei Ausfällen wegen des Streiks für kurze Strecken aufs Taxi umsteigen könnten, berichten auch viele Taxifahrer von sinkendem Umsatz. "Die Leute haben sich inzwischen wohl auf die Situation eingestellt und Fahrgemeinschaften gebildet", vermutet der Münchner Taxifahrer Gunnar Beeck und fügt mit sarkastischem Unterton hinzu: "Ich fange auch bald an zu streiken."

Avdyl Avdijaj, der einen kleinen Kaffeestand am Hauptbahnhof in München betreibt, hat dagegen ganz andere Probleme. Er regt sich besonders über den Service der Bahn auf, die heißen Kaffee und Erfrischungsgetränke an die wartenden Fahrgäste verteilt. "Warum sollten die auch bei mir kaufen, wenn es zehn Meter weiter dasselbe umsonst gibt?"

(ap)
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