Zwei Millionen Kunden in NRW betroffen Was die Gas-Umstellung für Verbraucher bedeutet

Düsseldorf · Weite Teile von NRW werden bald mit einer neuen Erdgassorte versorgt. Die Netzbetreiber stellen um – Gaskunden müssen alle Geräte in ihrem Haushalt umrüsten lassen. Das kann teuer werden.

 Die Flamme eines Gasherds.

Die Flamme eines Gasherds.

Foto: dpa/Patrick Pleul

In Nord- und Westdeutschland läuft eines der größten Gas-Infrastrukturprojekte aller Zeiten an: die Umstellung von niedrig- auf hochkalorisches Erdgas mit höherem Methangehalt. Davon sind nach Auskunft der Bundesnetzagentur vier Millionen Kunden mit 5,5 Millionen Gasgeräten betroffen. Der Löwenanteil entfällt auf NRW: Mehr als die Hälfte der Haushalte und Geräte befinden sich hierzulande – also mehr als zwei Millionen Kunden und knapp drei Millionen Gasgeräte. Nach zehn Jahren Planung wird die Umstellung für weite Teile des Landes nun konkret, vielerorts steht sie innerhalb der nächsten Monate an. Bis 2030 soll die Umstellung abgeschlossen sein.

Wer ist betroffen? Betroffen sind große Teile Nordrhein-Westfalens, darunter die Städte Düsseldorf, Mönchengladbach, Köln und Bonn. In diesen Regionen soll künftig die andere Gassorte durch die Leitungen strömen. In den Gebieten, in denen die Umstellung erfolgt, sind grundsätzlich alle Gaskunden betroffen – unabhängig von ihrem Lieferanten und unabhängig davon, ob sie zur Miete wohnen oder Eigentümer sind. Zahlen der Netzbetreiber zeigen die Dimension des Projekts: Nach Auskunft der Stadtwerke Düsseldorf werden allein in den ersten zwei Jahren der Umstellung Gasgeräte in rund 54.000 Haushalten technisch umgerüstet; insgesamt gehen die Stadtwerke von 155.000 umzustellenden Geräten aus. Die Rheinische Netzgesellschaft Köln rechnet mit 500.000 Gasgeräten. Im Raum Mönchengladbach sind laut NEW Netz rund 100.000 Haushalte (140.000 Geräte) betroffen.

Warum ist die Umstellung notwendig? Bisher verbrennen viele Gasgeräte in NRW niedrigkalorisches Erdgas, das etwa aus den Niederlanden stammt. Dort gehen die Reserven zu Neige, außerdem führt die Förderung des Gases dort zu Schäden. Die Alternative: hochkalorisches Erdgas aus Ländern wie Norwegen und Russland – mit Vorräten für Jahrzehnte. Der Unterschied zwischen den Gassorten: Hochkalorisches Gas (H-Gas) hat einen Methangehalt von bis zu 99 Prozent, niedrigkalorisches Gas (L-Gas) mit maximal 87 Prozent einen niedrigeren Brennwert. Aus Sicherheitsgründen müssen Gasverbrauchsgeräte wie Heizungen und Herde umgestellt werden, so dass sie H-Gas verbrennen können. Einem Sprecher der Bundesnetzagentur zufolge kommt in manchen L-Gas-Gebieten schon jetzt H-Gas zum Einsatz, dessen Methangehalt durch eine Beimischung verringert wird. Die Kosten dafür sollen eingespart werden – was wiederum die Anpassung der Infrastruktur erzwingt.

Was genau wird verändert – und wie läuft das ab? Die Erdgas-Umstellung hat direkte Folgen für Verbraucher. Sie müssen mindestens zweimal Monteure in ihre Wohnung lassen: Beim ersten Besuch machen diese eine Bestandsaufnahme der Gasverbrauchsgeräte, beim zweiten geht es an die Umrüstung. Konkret muss an jedem einzelnen Gerät eine Düse ausgetauscht werden. Außerdem müssen Techniker die Steuerung der Geräte so anpassen, dass hochkalorisches Gas durchströmen kann und weiterhin das gleiche Brennverhalten gewährleistet ist.

Gaskunden werden per Brief vom Netzbetreiber über die Umstellung informiert. Laut Bundesnetzagentur sind in NRW rund 60 Netzbetreiber in die Erdgas-Umstellung involviert. Diese Betreiber wiederum arbeiten eigens für die Umstellung mit Fachunternehmen zusammen, die sich um die Technik kümmern. Die Arbeiten sind vorher europaweit ausgeschrieben worden. Termine werden direkt mit den Bewohnern vereinbart.

Müssen sich Kunden selbst um die Umstellung kümmern? Nein. Die Netzbetreiber treten mit ihren Kunden in Kontakt und leiten alles Technische in die Wege. Allerdings sind die Netzbetreiber darauf angewiesen, dass ihre Kunden Termine einhalten und Monteure in ihre Wohnungen lassen. Die Ersatzteile, die die Techniker für die Umrüstung der Geräte brauchen, besorgen sie in der Regel direkt beim Hersteller.

Wann geht es los – und wo? In einigen Gebieten ist die Bestandsaufnahme weitgehend abgeschlossen. In den Stadtteilen im Südwesten Düsseldorfs etwa steht die Umstellung von L- auf H-Gas diesen Sommer an. Den ersten Umstellungstermin hat die Netzgesellschaft Düsseldorf für den 6. Juli vorgesehen. Weitere Gebiete in und um Düsseldorf folgen in den Monaten danach sowie in den Jahren 2022, 2025, 2026 und 2028. Im Raum Köln will die Rheinische Netzgesellschaft alle Geräte bis 2029 umgestellt haben, derzeit arbeiten sich die Techniker zur Bestandsaufnahme von außen in Richtung Stadtkern vor. Die Innenstadt soll 2024 mit H-Gas versorgt werden. In Mönchengladbach ist die Erhebung der Gasgeräte gerade angelaufen, der Betreiber NEW Netz rechnet mit etwa 70.000 Geräten. Bis 2022 soll die Umstellung dort abgeschlossen sein, ein Jahr später auch in Viersen.

Welche Kosten kommen auf Gaskunden zu? Teuer kann es für Mieter und Eigentümer werden, die Gasgeräte nutzen, die älter als 30 Jahre sind: Für diese gibt es oft keine Ersatzteile, deshalb können sie häufig nicht umgerüstet werden. Gaskunden müssen diese Geräte auf eigene Kosten ersetzen. Die Bundesnetzagentur geht davon aus, dass ein bis zwei Prozent aller Geräte nicht umgerüstet werden können. Erste Zahlen kann der Netzbetreiber NEW für seine Erhebung in Grevenbroich (Rhein-Kreis Neuss) nennen: Dort können rund drei Prozent der 16.200 Geräte nicht technisch umgerüstet werden – etwas mehr, als ursprünglich erwartet.

In den meisten Fällen kommen auf Gaskunden direkt jedoch keine zusätzlichen Kosten zu. Die Ersatzteile zahlt der Netzbetreiber. Allerdings werden die Kosten für das gesamte Infrastrukturprojekt auf alle Gaskunden bundesweit umgelegt. Allein in Köln rechnet man bis zum Jahr 2030 mit Kosten von 220 Millionen Euro. Für Verbraucher soll das nur geringe Auswirkungen haben, Gasrechnungen sollen pro Jahr nur um wenige Euro teurer werden. Auch brauchen Verbraucher durch das H-Gas, das einen höheren Brennwert hat und teurer ist, nach Auskunft der Bundesnetzagentur keine Zusatzkosten zu fürchten. „Das H-Gas ist etwa zehn Prozent teurer, allerdings verbrauchen Nutzer auch etwa zehn Prozent weniger“, sagt ein Sprecher.

Was passiert, wenn sich Kunden weigern? Wird ein Gasgerät nicht für den Durchstrom der neuen Gassorte angepasst, besteht laut Bundesnetzagentur Gefahr. Die Umstellung ist Pflicht. Wer sich weigert, riskiert, vom Netz getrennt zu werden. Gerichte in Norddeutschland entschieden zuletzt zugunsten der Netzbetreiber.

Wie können sich Kunden vor Betrügern schützen? Wollen Techniker die Umstellung direkt vor Ort in bar abrechnen, deutet das auf Betrug hin. Die Rheinische Netzgesellschaft Köln und auch die Netzgesellschaft Düsseldorf kooperieren in Sachen Erdgas-Umstellung mit der Polizei, um vorbeugend vor Trickbetrügern zu schützen. So erhalten Kunden zum Terminschreiben für die technische Umrüstung einen PIN-Code, mit dem sich der Monteur vor Ort authentifizieren muss.

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