Entscheidung fällt morgen Erbschaftsteuer-Urteil bedroht Betriebe

Berlin · Morgen entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die besonderen Verschonungsregeln für Unternehmenserben. Während der Bundesfinanzminister Betriebe nicht belasten will, denkt die SPD-Linke über Verstaatlichungen nach.

Das Bundesverfassungsgericht fällt morgen ein Urteil, das erhebliche Folgen für die meisten Betriebe in Deutschland haben wird. Die Karlsruher Richter entscheiden darüber, ob die weitgehende Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer gegen das Grundgesetz verstößt. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Erste Senat die seit 2009 geltende großzügige Regelung kippt und eine steuerliche Begünstigung von Firmenerben an strengere Maßstäbe knüpft. Das Urteil wird vor allem bei den rund drei Millionen Familienunternehmen mit Spannung erwartet, denn es geht um die Übertragung von Milliardenwerten. (Az. 1 BvL 21/12).

Worum geht es konkret bei dem Verfassungsurteil? Nach der umstrittenen Verschonungsregel werden Erbschaften und Schenkungen dann entlastet, wenn im Zuge des Betriebsübergangs die Arbeitsplätze weitgehend gesichert werden. Wer den Betrieb fünf Jahre lang fortführt und die Lohnsumme in dem Zeitraum weitgehend stabil hält, bekommt schrittweise 85 Prozent der Steuerschuld erlassen. Wer das sieben Jahre schafft, muss am Ende gar keine Steuer bezahlen. Von der Lohnsummenklausel befreit sind zudem Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten. Der Bundesfinanzhof hatte dem Verfassungsgericht die Verschonungsregeln für Betriebserben zur Prüfung vorgelegt, weil er darin den Gleichbehandlungsgrundsatz der Verfassung verletzt sieht: Während Betriebserben so gut wie keine Erbschaftsteuer bezahlen, werden Erben von sonstigem Vermögen oberhalb der Freibeträge mit 19 Prozent besteuert.

Warum ist das Urteil für viele Betriebe bedrohlich? Nach der mündlichen Verhandlung im Juli rechnen alle Beobachter damit, dass das Verfassungsgericht die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen kippt. Erwartet wird insbesondere, dass die 100-Prozent-Steuerbefreiung als mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt wird. Zudem dürfte das Gericht vorgeben, dass auch kleine Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern nachweisen müssen, dass sie Arbeitsplätze erhalten haben, um in den Genuss der Nachlässe zu kommen. 90 Prozent aller Betriebe in Deutschland haben weniger als 20 Mitarbeiter. Für alle Unternehmen dürfte der Betriebsübergang teurer werden. Wenn die Erbschaftsteuer aus dem Eigenkapital bezahlt werden muss, kann das Investitionen und Arbeitsplätze gefährden.

Was hat die Bundesregierung im Vorfeld des Urteils versprochen? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, die Regierung wolle das den Ländern zustehende Aufkommen der Erbschaftsteuer von fünf Milliarden Euro pro Jahr nach dem Urteil nicht steigern. Firmenerben würden an anderer Stelle entlastet, sollte das Gericht die Regeln kippen. Schäuble will morgen unmittelbar nach dem Urteil mit dem Bundestags-Finanzausschuss über die Folgen beraten.

Was sagen SPD und Opposition? Die SPD-Linke schlug gestern vor, dass Firmenerben zur Begleichung der Steuerschuld auch Unternehmensanteile an den Staat abtreten könnten. Dann müssten Anteile im Notfall nicht verkauft werden. Wie Schäuble warnte SPD-Chef Sigmar Gabriel dagegen vor einer stärkeren Belastung von Betriebsvermögen. Die Grünen wollen kleinere Betriebe vor Mehrbelastungen verschonen, größere dagegen nicht. Die anstehende Reform "darf den Fortbestand von kleinen und mittleren Unternehmen nicht gefährden", sagte Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae. "Große Betriebsvermögen dürfen dabei aber nicht überprivilegiert werden. Dafür sollte die gesamte Leistungsfähigkeit der Erben stärker berücksichtigt werden. Starke Schultern können einen größeren Beitrag leisten als schwache Schultern", so Andreae.

Was schlagen Ökonomen vor? Der Wirtschafts-Sachverständigenrat fordert, sämtliche Freibeträge und Verschonungen bei der Erbschaftsteuer abzuschaffen und für alle Erben einen einheitlichen niedrigen Steuersatz von beispielsweise drei Prozent einzuführen. Das würde das Steuerrecht vereinfachen, Finanzämter würden entlastet. Davor schreckt die Politik zurück, weil große Vermögen entlastet würden.

(mar)
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