Berlin Erbschaftsteuer-Reform zerpflückt
Berlin · Rechtsexperten halten Schäubles Gesetzentwurf für verfassungswidrig.
Führende Rechtsexperten haben den Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zur Reform der betrieblichen Erbschaftsteuer als verfassungswidrig eingestuft. Ohne grundlegende Änderung werde auch diese Reform vor dem Verfassungsgericht landen, sagten sie gestern in einer Anhörung vor dem Finanzausschuss des Bundestages. Der Entwurf erfülle die Vorgaben des Verfassungsgerichts von Ende Dezember nicht, denn er beseitige die zu starke Privilegierung von Firmenerben gegenüber allen anderen Erben bei der Besteuerung nicht.
Die Kritiker in der SPD, bei Grünen und Linken sowie in den Bundesländern erhalten damit eine weitere Argumentationshilfe. In der Anhörung gerieten die Vertreter der Stiftung Familienunternehmen und der Wirtschaftsverbände in die Defensive, denn alle anderen Fachleute zerpflückten den Reformentwurf. Schäuble lässt sich auf Änderungswünsche der Länder jedoch bisher nicht ein. Sein Entwurf soll Mitte November im Bundestag beschlossen werden. Da ihn der Bundesrat ablehnt, ist die Anrufung des Vermittlungsausschusses absehbar. Ob die Reform noch vor Ende Juni 2016 gelingt und damit die Karlsruher Vorgabe eingehalten wird, ist offen.
Das Gericht hatte vorgegeben, dass sich größere Unternehmen künftig einer Bedürfnisprüfung unterziehen müssten, wenn sie einen Steuervorteil haben möchten. Der Gesetzgeber legt die "Prüfschwelle" auf ein Erbe von über 26 Millionen Euro fest, abzüglich des übertragenen Verwaltungsvermögens. Diese Summe hielten mehrere Sachverständige für zu großzügig. Karlsruhe schreibe vor, dass größere Firmen "ohne Abstriche" die Prüfung durchlaufen müssten, das Konzept des so genannten Verschonungsabschlags stimme damit nicht überein, sagte der Speyerer Jurist Joachim Wieland. "Ich verstehe vieles gar nicht, und ich bin Steuerrechtler", sagte der Bochumer Steuerspezialist Roman Seer zu dem Entwurf.
Das NRW-Finanzministerium sieht nun die ablehnende Länderposition bestätigt. "Es wäre im Interesse aller Beteiligten gut, wenn die nötigen Nachbesserungen möglichst im laufenden Verfahren und nicht erst streitig in letzter Minute nachgeführt werden", sagte Staatssekretär Messal.