Für die Beurkundung wird es im Jahr 2022 eng Zeit für die Hausüberschreibung drängt

Düsseldorf · Durch steigende Immobilienwerte könnte ab 2023 auf manche Erben und Beschenkte eine höhere Erbschaftsteuer zukommen. Wer das auf jeden Fall vermeiden will, muss Haus oder Wohnung noch in diesem Jahr übertragen.

Aktuell herrscht bei Steuerberatern und Notaren in Deutschland Hochbetrieb.

Aktuell herrscht bei Steuerberatern und Notaren in Deutschland Hochbetrieb.

Foto: imago/blickwinkel/imago stock&people

Kurz vor dem Jahresende herrscht bei Steuerberatern und Notaren in Deutschland Hochbetrieb. Das liegt unter anderem daran, dass der Bundestag das Jahressteuergesetz beschlossen hat (das muss allerdings noch den Bundesrat passieren), und damit drohen manche Erbschaften und Schenkungen von Immobilien deutlich teurer zu werden für den (die) Empfänger.  Nun versuchen viele, noch im alten Jahr ihre Immobilie weiterzureichen, ehe die Erbschaftsteuer im kommenden Jahr stärker zuschlägt als bisher. „Die Berichterstattung zum Jahressteuergesetz 2022 hat in den letzten Wochen viele Eigentümer dazu bewegt, eine vorzeitige Schenkung ihrer Immobilie zu prüfen. Dies hat zu vermehrten Anfragen und Durchführungen von Übertragungen bei den Notarinnen und Notaren geführt“, sagt der Bonner Notar Michael Uerlings, Sprecher der Rheinischen Notarkammer. Dass das noch in jedem Fall 2022 klappen wird, glaubt er nicht: „Eine solche Schenkung sollte gut durchdacht und in der Familie besprochen sein. Eine Beurkundung bis zum Jahresende wird daher nicht mehr in jedem Fall möglich sein.“

Selbst genutzte und vermietete Immobilien werden künftig stärker nach dem Marktpreis bewertet. Dadurch steigt der Wert vieler Häuser und Wohnungen. Somit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass man ungeachtet aller bestehenden Freibeträge Erbschaftsteuer zahlen muss. Einfaches Beispiel: Nehmen wir an, der Wert einer Immobilie sei durch die Reform von 500.000 auf eine Million Euro gestiegen. Bisher konnte ein Ehepartner die Immobilie steuerfrei übertragen bekommen. Jetzt würde Erbschaftsteuer anfallen. Bei einer vermieteten Immobilie würde im Erbfall von der genannten eine Million Euro der Freibetrag von 500.000 Euro abgezogen, zusätzlich ein Versorgungsfreibetrag von 256.000 Euro (nur beim Vererben, nicht beim Verschenken). Blieben steuerpflichtig 244.000 Euro übrig, auf die überlebenden Ehegatten (und überlebende Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft) elf Prozent Steuern zahlen müssen (siehe Tabelle). Der Steuersatz gilt für diese Gruppe bei einem steuerpflichtigen Erbe zwischen 75.000 und 300.000 Euro. Fällig würden also in diesem Fall 26.840 Euro Steuer.

Alternative: Nähme man dieselbe Immobilie und hätte zwei Kinder, könnte man Haus oder Wohnung steuerfrei auf den Nachwuchs übertragen. Denn jede(r) von beiden hat einen Freibetrag von 400.000 Euro pro Elternteil. Dazu kommt auch hier ein Versorgungsfreibetrag. Kinder müssten also, wenn sie  zu gleichen Teilen erben und die Eltern zu gleichen Teilen Eigentümer waren, womöglich erst  bei einem Vermögen von mehr als 1,6 Millionen Euro tatsächlich Schenkungsteuer zahlen.

Was  tun? Wo Erben und Beschenkte steuerpflichtig werden könnten und Erblasser der Steuererhöhung auf jeden Fall zuvorkommen möchten, muss Haus oder Wohnung bis Jahresende übertragen werden. Das heißt: Es muss einen von einem Notar beurkundeten Vertrag geben. Die Eintragung im Grundbuch kann dann auch noch im nächsten Jahr erfolgen, ohne dass man die  höhere Schenkungs oder Erbschaftsteuer zahlen muss. Es kommt also auf den Tag der notariellen Schenkung an.

Übertriebene Eile wäre auf jeden Fall fehl am Platz, auch wenn man nicht vergessen darf, dass die Erbschaftsteuer auf Immobilien anfallen könnte, die aus bereits versteuertem Einkommen angeschafft worden war und auf die Grunderwerbsteuer und jahre- oder jahrzehntelang Grundsteuer gezahlt wurde. Also keine Bagatelle. Aber: „Man sollte auf jeden Fall einen Berater hinzuziehen und überlegen, was sinnvoll ist“, sagt der Krefelder Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Carsten Nicklaus, gleichzeitig Vorsitzender des Steuerberaterverbandes Düsseldorf und Vorstandsmitglied der Steuerberaterkammer Düsseldorf. Denn in vielen  Konstellationen fällt abseits persönlicher Motive voraussichtlich nach künftigem Recht  bei geschickter Planung weiterhin keine oder nur eine geringe Steuerbelastung an. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die steuerlichen Freibeträge für Übertragungen nach oben angepasst würden, so Nicklaus. Erste Anläufe aus der Politik habe es bereits gegeben. Und: Bei einem sogenannten Familienheim kann nach Angaben des Steuerexperten unter Umständen die Übertragung steuerfrei bleiben, beispielsweise dann, wenn der Beschenkte oder Erbe in der Wohnung lebt. Dies klappe – mit Einschränkungen – auch bei der Übertragung auf Kinder im Erbfall, so Nicklaus. Entscheidend sei, sich bei einem entsprechenden Vermögen frühzeitig über diese Themen Gedanken zu machen und sich rechtlich und steuerlich beraten zu lassen.

Nicklaus bringt auch eine weitere Möglichkeit ins Spiel, die die Steuerpflicht verringern oder sogar beseitigen kann: den Nießbrauchvorbehalt. Damit wird zwar das Eigentum übertragen, die zukünftigen Mieterlöse stehen Vererbern oder Verschenkern aber nach wie vor zu. Damit sei nicht nur die Versorgung des Abgebenden weitgehend abgesichert, so Nicklaus. Als durchaus gewünschter Nebeneffekt verringert sich außerdem der Wert des übertragenen Vermögens um den Wert des Nießbrauchs.

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