"Eon und RWE sind Regionalliga"

EU-Energiekommissar Günther Oettinger hält die deutschen Energie-Riesen Eon und RWE für zu klein, um sich international behaupten zu können. Außerdem fordert er Öko-Rabatte für die Industrie und das Ende der deutschen Widerstände gegen CO2-Endlager.

Ihr Energiefahrplan für Europa sieht in einem Szenario 40 neue Atomkraftwerke vor. Sind Sie für oder gegen Atomkraft?

Oettinger Der Energie-Mix ist alleinige Kompetenz der Nationalregierungen. Wir haben in Europa 14 Mitgliedsstaaten mit Kernkraft und 13 ohne. Wenn Deutschland ausgestiegen sein wird, steigt Polen ein. Ich plädiere nicht für den Bau neuer Atomkraftwerke, und ich fördere ihn auch nicht. Ich rechne schlicht und einfach damit, weil alles andere nicht realistisch ist. Aber wenn in verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU neue Atomkraftwerke gebaut werden, dann bitte auf dem höchstmöglichen Sicherheitsstandard. Das ist meine Position.

Eon baut 11 000 Stellen ab, RWE 6000. Beide begründen das vor allem mit der Energiewende. Ist das Merkels Stellenabbau?

Oettinger Der Stellenabbau hat mehrere Ursachen: Die strukturelle Energiewende, die Verlagerung von Wertschöpfung ins Ausland und die einbrechenden Gewinne, die sich aus dem Atom-Ausstieg ergeben. Aber bei allem Respekt vor Eon und RWE: Im Weltmaßstab sind beide nur Regionalliga. Will Deutschland in der Weltliga mitspielen, die von Konzernen wie Exxon, Chevron oder Gazprom dominiert wird, brauchen wir einen nationalen Player von entsprechender Größe. Dazu sollte die deutsche Energie-Industriepolitik nichts unversucht lassen.

Plädieren Sie für eine Fusion von Eon und RWE?

Oettinger Wenn man einmal von etwaigen wettbewerbsrechtlichen Problemen in Europa absieht, die es zu bewerten und gegebenenfalls zu lösen gälte: Ein Zusammenwirken wichtiger Spieler im Energiemarkt, vielleicht auch die Option einer Fusion, könnte ein Schritt sein, der das Gewicht der deutschen Energiewirtschaft im weltweiten Wettbewerb stärken würde. Dafür könnte ich mir verschiedene Modelle vorstellen: Mehr Wachstum und Stärke können sich auch aus einer engeren Verbindung mit den Stadtwerken und den Kommunen in Deutschland ergeben.

Die EU-Kommission will das Klimagas CO2, das bei der Verstromung von Gas, Kohle und Öl anfällt, bis 2050 um 80 Prozent senken. Wie?

Oettinger Vor allem über den vermehrten Einsatz von Erneuerbarer Energie und entschiedenere Einsparungen beim Energieverbrauch. Nach unseren Analysen werden aber in einzelnen EU-Mitgliedstaaten auch die Kernkraft und vor allem die unterirdische Abspeicherung von CO2 mit Hilfe der so genannten CCS-Technologie eine Rolle spielen.

In Brandenburg scheitert ein solches CO2-Endlager bisher am massiven Protest der Anwohner. Wo in Deutschland könnte ein solches Endlager entstehen?

Oettinger Wir brauchen dazu Möglichkeiten in Deutschland. Obwohl wir in Deutschland die höchste Ingenieurs-Kompetenz weltweit haben, bremsen wir aber leider bei diesem Thema am stärksten. Ich fordere CCS-Speicherstätten überall dort, wo sie technisch und ökologisch möglich sind. Auch in Deutschland. Alles andere wäre nämlich ein klimapolitisches Desaster.

Was kostet die Energiewende den Bürger?

Oettinger Deutschland hat mit 25 Cent pro Kilowattstunde heute schon den nach Dänemark (29 Cent/Kilowattstunde) höchsten Strompreis in Europa und muss aufpassen, die Preise durch weitere Steuern und Abgaben nicht auf die Spitze zu treiben. Richtig teuer wird es für den Bürger, wenn die Industrie wegen der hohen Strompreise aus Deutschland abwandert.

Sollte es Öko-Rabatte für stromintensive Industrien geben?

Oettinger Unbedingt. Bei Gesprächen mit Unternehmen wie Trimet oder ThyssenKrupp höre ich immer wieder, wie sehr die Industrie unter den hohen Strompreisen leidet. Wenn sie deshalb Deutschland verlässt, wird das CO2 nur an anderer Stelle freigesetzt.

In NRW wird eine Erdgas-Bonanza vermutet, die aber nur per Fracking-Methode ausgebeutet werden kann. Dabei wird giftige Chemie in den Boden gepumpt. Was halten Sie davon?

Oettinger Alles Gas, was Deutschland verbraucht und nicht selbst fördert, muss importiert werden. Mit dem Vorteil der ausbleibenden Konflikte mit den Anwohnern im Inland und mit dem Nachteil der Abhängigkeit vom Ausland. Es ist davon auszugehen, dass der technologische Fortschritt in kurzer Zeit zu einer weiteren Verringerung der Risiken bei der Schiefergasproduktion führen wird. Es spricht einiges dafür, dass die nationalen Gesetzgeber, die dafür zuständig sind, in Zukunft mehr Produktion an so genanntem unkonventionellen Gas genehmigen werden.

Thomas Reisener führte das Interview. Der komplette Wortlaut unter www.rp-online.de/wirtschaft

(RP)
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