„Kurzfristig geht es nicht ohne“ Eon hält an Nord Stream 1 fest

Essen · Eon-Chef Leonhard Birnbaum warnt vor Illusionen: Bei einem Importstopp drohten im nächsten Winter Abschaltungen. „Frieren für den Frieden“ sei keine Lösung. Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke sind für Eon vom Tisch. Die Strompreise könnten weiter steigen.

Eon-Chef Leonhard Birnbaum in Essen.

Eon-Chef Leonhard Birnbaum in Essen.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Der Krieg gegen die Ukraine schockiert auch den größten deutschen Energiekonzern. „Der Angriffskrieg ist ein schlimmer Rückfall in dunkle Zeiten. Wir erleben die schlimmste humanitäre Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Eon-Chef Leonhard Birnbaum bei der Bilanz-Vorstellung. Mitarbeiter seien persönlich betroffen und würden helfen: Eon hat Standorte in Polen, Ungarn, Rumänien, der Slowakei und versorgt auch Warschau mit Strom, wo Tausende Flüchtlinge angekommen sind. „Polen allein hat 1,8 Millionen Flüchtlinge aufgenommen“, zeigte sich Birnbaum beeindruckt.

 Eon hat keine langfristigen Importverträge mehr mit russischen Produzenten, ist aber an Nord Stream 1 beteiligt: Der Konzern hält knapp 16 Prozent an der Ostsee-Pipeline, durch die seit langem ein großer Teil des russischen Gases nach Deutschland fließt. Die Beteiligung liegt bei Eons Pensionskasse. „Wir werden aus Nord Stream 1 nicht aussteigen. Die Bundesregierung hat entschieden, die Importwege für russisches Gas offen zu halten, dazu gehört auch Nord Stream 1“, betonte Birnbaum. „Wem wäre auch damit geholfen, dass wir unsere Anteile an den Mehrheitsaktionär Gazprom übertragen? Unverkäuflich ist das Asset sowieso.“

Eon stoppte aber Einkäufe von europäischen Gazprom-Handelstöchtern: „Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs haben wir den Einkauf neuer Mengen von diesen Gesellschaften gestoppt.“ Eon war Russland über Jahrzehnte eng verbunden, die frühere Tochter Ruhrgas (die später in Uniper aufging) war Initiator des Pipeline-Geschäfts.

Birnbaum lobte - wie viele Konzern-Chefs - das deutsche Krisenmanagement: „Die Bundesregierung handelt umsichtig und verantwortungsvoll, sie hält allen Rufen stand, die Einführung von Gas kurzfristig zu stoppen, denn das würde Europa und Deutschland schwer treffen“, so der Eon-Chef. „Kurzfristig geht es nicht ohne russisches Gas, meine Anerkennung gilt Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck.“ Langfristig werde es Deutschland helfen, die Gasbeschaffung breiter aufzustellen und die Versorgung mit  Flüssiggas und Wasserstoff auszubauen. Aber: „All das wird uns kurzfristig nicht helfen, über den nächsten Winter, über die nächsten zwei bis drei Jahre zu kommen“, so Birnbaum weiter. Werde der Gas-Import gestoppt, könnte es im nächsten Winter zu einer Abschaltung von Industriekunden kommen und zwar für längere Zeit.

Birnbaum hält auch nichts von Appellen wie „Frieren für den Frieden“, um den Energieverbrauch zu senken: „Wenn die Verbraucher einen warmen Pullover anziehen, ist das ein Beitrag zur Senkung der Nachfrage, aber nicht die Lösung des Problems.“ Als erstes würden im Ernstfall ohnehin Industriekunden abgeschaltet werden und nicht Haushalte. Die EU-Kommission rät, die Heizung um ein Grad herunter zu drehen, dies soll den Verbrauch um sechs Prozent senken.

Eon hält weitere Strompreis-Erhöhungen für denkbar. Es könne beim Börsen-Strompreis ähnliche Kapriolen geben wie vor Weihnachten. „Wenn die Großhandelspreise auf Dauer hoch sind, wird Eon das sukzessive an seine Kunden weitergeben müssen.“ Birnbaum betonte aber auch: „Eon profitiert nicht von hohen Preisen, wir haben keine Kraftwerke.“

 Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke sind für Eon vom Tisch: „Das hat sich erledigt“, sagte Birnbaum. Man habe der Bundesregierung einen Weiterbetrieb von Isar 2 angeboten, diese habe sich anders entschieden. Unter anderem kommt das Material für die Brennstäbe aus Russland, und die Meiler bringen wenig Strom. NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hatte am Dienstag noch für ein späteres Wiederanfahren geworben. „Das entscheidet die Bundesregierung und nicht das Land“, erklärte Birnbaum dazu.

 Finanzchef Marc Spieker, der selbst mit Corona infiziert ist und sich aus dem Homeoffice meldete, zeigte sich als Vater von drei Kindern erschüttert von dem Leid. „Ich hätte mir gewünscht, dass Kinder in Europa keine Angriffskriege auf ein Nachbarland erleben müssen.“

Die Zahlen gerieten in den Hintergrund. Eon erhöhte den Gewinn 2021 um eine Milliarde auf 7,9 Milliarden Euro. Vor allem im Vertrieb legte Eon zu, bei dem Konzern waren auch Kunden gestrandet, die  von Strom-Discountern vor die Tür gesetzt worden waren. Allein in Großbritannien fielen 20 Billiganbieter aus, Eon sprang bei 300.000 Kunden ein, auch in Deutschland übernahm man 300.000 Kunden von insolventen Wettbewerbern, so Spieker. Die hohe Verschuldung, die nach der Übernahme der RWE-Tochter Innogy entstanden war, sank leicht auf 38,8 Milliarden Euro. Eon hat 72.000 Mitarbeiter und 51 Millionen Kunden.

 Die Aktionäre sollen für 2021 eine Dividende von 49 Cent je Aktie erhalten nach zuvor 47 Cent. Für 2022 rechnet der Konzern mit einem leichten Gewinnrückgang auf bis zu 7,6 Milliarden Euro. Die Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine seien noch nicht abschätzbar, hieß es. Bis 2026 will Eon 27 Milliarden Euro investieren, vor allem in den Ausbau der Netze, was für die Energiewende zwingend nötig ist.

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