Fachkräftemangel Einwanderung: Wirtschaft fordert weniger Bürokratie

Berlin · Die Regierung hat die neuen Regelungen zur Einwanderung von qualifizierten Nicht-EU-Ausländern mit vielen Details überfrachtet. Merkel hat die Firmen auf dem Arbeitgebertag in Berlin auf weitere Lasten eingestimmt.

 Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag auf dem Arbeitgebertag in Berlin.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag auf dem Arbeitgebertag in Berlin.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Die deutsche Wirtschaft hat die Bundesregierung aufgefordert, das geplante Fachkräfte-Einwanderungsgesetz für die Arbeitgeber einfacher zu gestalten. „Ein gutes Fachkräfteeinwanderungsgesetz mit klaren, verständlichen Regelungen und zugleich unbürokratischen Prozessen ist dringend erforderlich“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Achim Dercks. „Das Verfahren vom Visumsantrag über die Anerkennung von Qualifikationen bis zum Aufenthaltstitel sollte durch digitale Lösungen unterstützt werden“, sagte Dercks. Die Idee, pro Bundesland eine zentrale Ausländerbehörde einzurichten, sei sinnvoll. „Das erleichtert den Prozess für Unternehmen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen müssen im Zweifel die Verfahren ohne viel Aufwand nutzen können“, sagte der DIHK-Experte. „Weitere Informationspflichten, wie etwa die Benachrichtigung der Ausländerbehörde, wenn die Beschäftigung beendet wurde, wären eine unnötige Zusatzlast für die Betriebe.“

Die Regierung hatte in dieser Woche die so genannte Ressortabstimmung über das Gesetz eingeleitet. Es soll am 19. Dezember vom Kabinett gebilligt werden. Die zuständigen Ministerien rechnen mit einem Inkrafttreten frühestens im April 2019, da die parlamentarischen Beratungen noch Zeit beanspruchen. Im Kern zielt das Gesetz darauf, Deutschland für Nicht-EU-Ausländer mit einer Berufsausbildung attraktiver zu machen. Bisher hatte sich die Einwanderungspolitik nur auf Fachkräfte mit akademischer Ausbildung konzentriert. Da in den kommenden Jahren immer mehr Beschäftigte der geburtenstarken 1960-er Jahrgänge in Rente gehen werden, droht der Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse in Deutschland zu werden.

Dass die Regierung den Arbeitsmarkt nun stärker auch für nichtakademische ausländische Fachkräfte öffnet, begrüßt die Wirtschaft. Vor allem der geplante Wegfall der Vorrangprüfung wird als Erleichterung empfunden. Künftig soll die Bundesagentur für Arbeit nicht mehr prüfen müssen, ob nicht auch ein Inländer für einen Job infrage käme, wenn ein Unternehmen eine ausländische Fachkraft einstellen will. Zudem wird die Weiterbeschäftigung von abgelehnten Asylbewerbern und Geduldeten erleichtert. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte auf dem Arbeitgebertag am Donnerstag in Berlin, das Gesetz noch in diesem Jahr und damit schneller als geplant auf den Weg zu bringen. Der Kölner Arbeitsmarktexperte Alexander Spermann dämpfte allerdings die Erwartungen an das Gesetz: „Wir haben jahrelang das Signal gesendet, dass wir nur Hochqualifizierte im Land haben wollen und dass es sehr kompliziert ist, zu uns auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Wenn wir das jetzt ändern, werden nicht plötzlich Hunderttausende kommen.“

Auf dem Arbeitgebertag sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine Lockerung der Arbeitsrechts aus. „Hier würde ich persönlich an manchen Stellen weiter gehen“, sagte Merkel. Sie habe aber bisher nicht durchsetzen können, „wenigstens das EU-Arbeitszeitgesetz eins zu eins umzusetzen“, sagte sie mit Hinweis darauf, dass dadurch der Acht-Stunden-Tag durch eine Wochenarbeitszeit ersetzt worden wäre. Es gebe jetzt in Deutschland immerhin eine Öffnungs- und Experimentierklausel, wenn es Tarifverträge gebe und der Betriebsrat zustimme. Merkel forderte die Unternehmen auf, diese Klausel intensiv zu nutzen.

Ohne direkt den Koalitionspartner SPD zu nennen, sagte die CDU-Chefin, die Koalition werde den Unternehmen „noch einiges zumuten“, etwa bei der Reform der sachgrundlosen Befristung. Zugleich kritisierte Merkel dabei aber auch den Missbrauch etwa bei Ketten-Arbeitsverträgen. „Je verantwortlicher Sie mit Ihrer Freiheit umgehen, umso weniger müssen wir uns als Staat in die Dinge einmischen“, mahnte Merkel die Arbeitgeber.

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