Zirndorf Ein Leben für die heile Welt aus Plastik

Zirndorf · Mit seinen Playmobil-Figuren hat Horst Brandstätter Generationen von Kindern glücklich gemacht. Nun ist der Familienunternehmer mit 81 Jahren gestorben. In seinen Playmobil-Welten ging stets alles gut aus.

Die bunten Plastikfiguren sind heute in fast jedem Kinderzimmer zu finden: 7,5 cm hoch, kantig und für Kinder von vier bis 14 Jahren (mindestens) empfohlen. Doch ohne die Ölkrise Anfang der 1970er Jahre wären sie womöglich nie entwickelt worden. Als damals Öl, der Rohstoff für großvolumiges Kinderspielzeug, knapp und teuer wurde, mussten Spielwaren-Hersteller umdenken. So wie Horst Brandstätter, dessen Firma zwar Marktführer für Hula-Hoop-Reifen war, aber wegen der explodierenden Materialkosten kurz vor dem Aus stand. Dann ließ Brandstätter, der Formbauer gelernt hatte, ein kleines Spielzeug entwickeln: Playmobil.

40 Jahre alt war Brandstätter damals und machte die kleinen Männchen zu einem Kassenschlager. Gab es zunächst nur Bauarbeiter und Polizisten mit wenigen Accessoires, so bietet Playmobil heute ganze Spielewelten vom Pferdehof über das Piratenschiff bis zur Zentrale der Top-Agenten. Nun ist der Schöpfer dieser Kinderwelten im Alter von 81 Jahren gestorben, wie sein Unternehmen gestern mitteilte.

Brandstätter wurde im fränkischen Zirndorf als Sohn eines Fabrikanten für Metallspielwaren geboren. Schon mit sieben Jahren verlor er seinen Vater. Die heile Welt seiner Kindheit zerbrach. Vielleicht hat er deshalb darauf geachtet, dass in den Playmobil-Welten alles gut ausgeht. Die Figuren, selbst Ritter und Drachenjäger, haben freundliche Gesichter. Auch wenn das Unternehmen bei der Entwicklung neuer Ideen Anregungen seiner jungen Kunden etwa nach Licht- und Sound-Effekten aufgriff, so gab es doch Grenzen. Als sich ein Kind zur Komplettierung der mittelalterlichen Stadt einen Henker wünschte, winkte Playmobil ab: zu brutal.

Die zweite Zutat des Playmobil-Erfolges ist die Qualität. Mit Billig-Spielzeug aus China haben die bunten Playmobil-Figuren, die vor allem in Malta hergestellt werden, nichts gemein. Da bricht nichts und da stinkt nichts. Auch nach Jahrzehnten kann der Indianer noch Pfeil und Bogen recken. Und selbst wenn heute die "Kita Sonnenschein" aus hunderten Einzelteilen besteht - der Schenker kann zuversichtlich sein, dass in der Packung kein Teil fehlt und die Aufbauanleitung niemanden allein lässt.

Zu Anfang mussten sich die Playmobil-Figuren gleich gegen zwei Konkurrenten behaupten. Gegen Playbig-Figuren, die von dem Bobbycar-Hersteller produziert wurden. Diese Figuren konnten nicht nur Arme und Beine bewegen, sondern auch Hände und Füße - und waren damit zu wackelig für kleine Kinderhände. Der zweite große Konkurrent war Lego. Es war wie mit den Beatles und den Rolling Stones. Fan von beiden konnte man nicht sein. Die Lego-Fans schworen auf das Selber-Bauen, die Playmobil-Fans auf die vielen Figuren. Am Ende war Platz für beide, Lego- und Playmobil-Welt glichen sich an. Vier Stunden Aufbauzeit für die große Ritterburg müssen Eltern heute schon einkalkulieren. Und nur, wenn sie kleine Konsumterroristen erziehen wollen, nehmen sie das ihren Kindern ab und stellen das fertige Werk unter den Weihnachtsbaum. Der größere Spaß ist es, Opa und Enkelin alles zusammenbauen zu lassen.

Am Anfang waren die Figuren schlicht gestaltet, Männer hatten einen Zackenpony, Frauen einen Bob. Heute können die Figuren Kleider und Frisuren wechseln, sie haben unterschiedliche Hautfarben. Etwa 2,8 Milliarden Figuren hat das Unternehmen seit 1974 hergestellt. Die alten Figuren haben Sammlerwert. Mehr als eine halbe Milliarde Euro Jahresumsatz machen heute die 4100 Mitarbeiter von Geobra Brandstätter, wie die Firma korrekt heißt. Ein Teil wird im Playmobil-Park in Zirndorf erwirtschaftet, wo die Kinder groß nachgebaut finden, was sie klein im Kinderzimmer haben.

Dass auch ein Leben für das Kinderspielzeug nicht ewige Jugend schenkt, hat Brandstätter gleichwohl verstanden: "Es gibt Chefs, die verhalten sich so, als ob sie das ewige Leben haben", sagte er schon frühzeitig. So einer wollte er nicht sein. Vor vielen Jahren zog er sich aus dem Tagesgeschäft zurück und verfügte, dass Playmobil nach seinem Ableben über eine Stiftung weitergeführt wird. Kinder würde es nicht wundern, wenn künftig der Nachtwächter aus der Mittelalter-Welt sein Grab in Zirndorf hütet.

(RP)
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