Computer E-Sports wird zum Milliarden-Markt

Köln · Nicht nur Vereine und Spielehersteller profitieren vom Geschäft mit dem E-Sport. Im Windschatten des Trends entstehen auch neue Geschäftsfelder wie E-Sportsbars und Spieleragenturen. Für die Spieler selbst ist E-Sport harte Arbeit, wenn sie davon leben wollen.

Die Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes prägten der Kaiser, der Titan oder zeitweise auch der Lutscher. Franz Beckenbauer, Oliver Kahn oder auch Torsten Frings wurden dank ihrer Leistungen zu Vorbildern von Millionen Fans. Demnächst ruhen die Hoffnungen auf zwei Nationalspielern, die sich „MoAuba“ und „MegaBit“ nennen. Mit Mohammed „MoAuba“ Harkous und Michael „MegaBit“ Bittner hat der DFB erstmals in seiner Geschichte zwei Spieler nominiert, die bei einer Weltmeisterschaft nur virtuell für Deutschland um den Titel kämpfen werden. Sie vertreten Deutschland bei der Weltmeisterschaft in FIFA 19 – einem Computerspiel.

Nicht nur die DFB-Nominierung zeigt: E-Sports ist längst aus der Nische entwachsen. Jährlich fließen Preisgelder in Millionenhöhe, allein 2016 waren es weltweit fast 100 Millionen Dollar. Rund 160 Millionen Menschen schauen sich regelmäßig E-Sport-Turniere an. Und bei Deutschlands größter Lan-Party, der Dreamhack in Leipzig, treten gleich 2000 Spieler an.

Kein Wunder, dass neue Geschäftsfelder entstehen, wenn etwas derart weite Kreise zieht. Agenturen vermitteln Spieler, beraten Firmen und Vereine, trainieren Mannschaften. Auch auf Zuschauerseite tut sich was. Erste E-Sportsbars eröffnen in größeren Städten mit dem Versprechen, den E-Sport in die Gesellschaft zu bringen. Auf den Fernsehern laufen die Turniere angesagter Computerspiele. Dass ihr Sport vom olympischen Sportbund keine offizielle Anerkennung bekommt, können die Agierenden gelassen sehen. Die Entwicklung schreitet auch so voran.

Spielerscouts sind im Profisport nicht neu, im E-Sport jedoch nimmt die Szene gerade erst Fahrt auf. Dominik Celary hat mit seiner Agentur bap-Esports schon vor sieben Jahren begonnen, Turniere zu organisieren. Erst im Kleinen für Firmen, die damit werben wollten, später auch für Bundesligavereine. „Unser erstes Turnier haben wir zur Fußball-WM 2012 auf einem Flugplatz in Nürnberg ausgetragen“, erzählt Celary. Inzwischen arbeitet seine Agentur, die ihren Sitz in Fürth bei Nürnberg hat, mit Fußballvereinen in Deutschland und Österreich zusammen, unter anderem dem FC Schalke 04. Gespielt wird dort natürlich die Fußball-Simulation Fifa. Bei nationalen und internationalen Turnieren winken Preisgelder zwischen 20.000 und 50.000 Euro.

Einen anderen Weg wollen Myriam Repple und Jan-Christoph Steinmann gehen. Sie renovieren gerade ein Ladenlokal in der Kölner Innenstadt. Bis Mitte Mai soll daraus der „DVision eSports Diner“ werden. „Wir sehen uns primär als Restaurant, die Leute sollen zusammensitzen und quatschen können“, sagt Repple. Die 27-Jährige arbeitete zuvor beim IT-Dienstleister Exentra. Die Idee hätten sie schon vor zwei Jahren gehabt, waren da aber noch mitten im Studium.

In anderen europäischen Ländern ist man da schon weiter. Die französische Franchise-Kette „Meltdown“ hat neben 17 Standorten in ihrem Heimatland inzwischen unter anderem Läden in Spanien, Großbritannien oder Belgien. auch in Deutschland gibt es eine Filiale – in Köln. 

Von dieser wollen sich Repple und Steinmann allerdings bewusst abgrenzen. „Es soll alles so hell wie möglich sein, wir wollen keine nerdig-dunkle Höhle mit Neon-Licht werden“, betont Repple. Neben 60 Restaurantplätzen soll es aber natürlich dennoch zwölf PC-Plätze und fünf Spielekonsolen geben.

Wie beim echten Sport auch, geht es beim E-Sport darum, zu gewinnen – als Mannschaft oder alleine. Sportsimulationen wie „Fifa“ oder „NBA2k“ werden in der Regel von einzelnen Spielern ausgefochten, die eine ganze Mannschaft steuern. Fifa-Turniere gibt es schon seit fast 20 Jahren. Die ersten World Cyber Games etwa wurden im Jahr 2000 in Südkorea ausgetragen. Bei Arena-Spielen wie „Dota 2“ oder „League of Legends“ geht es hingegen darum, im Team gegen ein anderes Team anzutreten. Jeder Spieler sieht das Spielfeld aus der Vogelperspektive und steuert nur seine eigene Spielfigur. „League of Legends“ gibt es bereits seit 2009, die erste Weltmeisterschaft wurde 2011 in Schweden ausgetragen – Preisgeld: 100.000 Dollar. Schon ein Jahr später in Los Angeles betrug das Preisgeld zwei Millionen Dollar, bei der Meisterschaft 2018 wurden insgesamt 6,45 Millionen Dollar ausgeschüttet.

Die neuesten und sehr erfolgreichen Ableger gehören dem sogenannten „Battle-Royal-Genre“ an. Beim bislang erfolgreichsten Vertreter „Fortnite“ starten 100 Spieler auf einer Insel. Allein, zu zweit oder zu viert können die Spieler gefundene Waffen und Baumaterialien gegen die Konkurrenz einsetzen. Wer als Letztes noch lebt, gewinnt die Runde. Für 2019 hat Entwickler Epic Games die ersten Meisterschaften und Preisgelder in Millionenhöhe angekündigt. Zusätzlich soll parallel zu den Australian Open im Tennis auch ein Fortnite-Turnier stattfinden, inklusive 500.000 Dollar Preisgeld.

Mit den Umsätzen im Profisport kann der E-Sport zwar noch nicht mithalten. Dennoch schätzt die Gesellschaft für Konsumforschung die Zahl derer, die in Deutschland mindestens gelegentlich Computerspiele spielen, auf rund 34 Millionen. Während diese Zahl seit Jahren konstant bleibt, steigt die Zahl der Onlinespieler, die in virtuellen Arenen gegeneinander antreten.

Doch die Anforderungen auf Spielerseite sind hoch. Wer bei den Turnieren regelmäßig größere Summen Geld erspielen will, muss das als Vollzeitjob betreiben. „Wir empfehlen an fünf Tagen der Woche sechs bis acht Stunden Training“, sagt Agentur-Chef Celary. Gleichzeitig sollten die Spielern zwei bis dreimal pro Woche ganz klassisch Sport treiben, da Rücken, Arme und Handgelenke beim stundenlangen Training am Bildschirm belastet werden. Dass E-Sport bei vielen Sportvereinen dennoch verpönt ist, kann Celary verstehen. „Viele Vereine werben damit, die Jugend von der Straße zu holen, in Bewegung zu bringen.“ Da sei es verständlich, wenn damit nicht gemeint sei, den ständig vor der Konsole zu sitzen.

Ein Rückschritt ist es für Celary aber nicht, dass der deutsche olympische Sportbund E-Sport nicht als Sport anerkenne. „Der Markt besteht ja bereits und benötigt meiner Meinung nach nicht die Anerkennung eines Verbandes“, sagt Celary. Die Erfolge sprächen für sich: Ausverkaufte Stadien und Hallen, eine große Community. Hilfreich wäre die Anerkennung Celary zufolge aber allemal: Es würde helfen, den E-Sport in der Wahrnehmung der älteren Generation zu verankern. Auch gebe es abseits von Fifa noch genug Titel, die über keine so ausgeprägte Turnier-Struktur verfügten.

Ein Ende des E-Sport-Booms ist bislang nicht in Sicht. Für das vergangene Jahr ermittelte der niederländische E-Sports-Analyst Newzoo einen weltweiten Umsatz durch Sponsoring, Werbung, Medienrechte, Gebühren sowie Merchandising und Ticket-Verkäufe im E-Sports von knapp 800 Millionen Euro. Für 2021 schätzt Newzoo den Umsatz bereits auf 1,4 Milliarden Euro. Sponsoring macht dabei den größten Teil aus. Kein Wunder, drängen doch auch große Marken inzwischen in den Markt: Wenn das DFB-Team Mitte April bei der Weltmeisterschaft antritt, wird diese von Adidas und Coca Cola gesponsert.

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