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Klingelschild-Posse Müssen unsere Klingelschilder jetzt wirklich abmontiert werden?

Düsseldorf · „Unsere Klingelschilder sollen weg“, titelt die Bild-Zeitung: Weil sie gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen könnten, sollen Vermieter die Schildchen lieber abmontieren. Fällt das deutsche Klingelschild tatsächlich der EU-Bürokratie zum Opfer?

 Klingelschilder (Symbolfoto).

Klingelschilder (Symbolfoto).

Foto: dpa/Ole Spata

Es ist kompliziert - und daran sind die Österreicher schuld. Denn in Wien nahm die merkwürdige Geschichte um Klingelschilder und die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ihren Ursprung: Ein Mieter der kommunalen Wohnungsverwaltung „Wiener Wohnen“ hatte sich laut ORF beschwert, warum sein Name ungefragt auf dem Türschild ersichtlich sei. Die für den Datenschutz zuständige Abteilung der Stadtverwaltung prüfte den Sachverhalt - und kam zu einem überraschenden Ergebnis: Die Klingelschilder an den Mietwohnungen müssen weg. Und zwar alle.

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Über 200.000 Schilder muss die „Wiener Wohnen“ jetzt austauschen. Statt Mieternamen sollen nur noch neutrale Nummern sichtbar sein. Wer als Mieter trotzdem seinen Namen an der Tür haben wolle, könne das gerne machen, heißt es bei der Wohnungsverwaltung - nur der Vermieter dürfe das eben nicht übernehmen.

Diese kuriose Geschichte scheint nun auch nach Deutschland zu schwappen. So berichtet die „Bild“-Zeitung vom Immobilien-Eigentümerverband „Haus & Grund“: Dieser wolle seinen 900.000 Mitgliedern empfehlen, ebenfalls die Namensschilder an vermieteten Immobilien abzumontieren. Zwar sei unklar, ob die Schildchen tatsächlich gegen die DSGVO verstoßen. Aber nur so könnten Vermieter rechtlich sicher sein, zitiert die „Bild“ Verbandschef Kai Warnecke. Eine Missachtung der DSGVO könne schließlich Strafen von bis zu 20 Millionen Euro nach sich ziehen - und zwar dann, wenn Mieter wegen der Namensschilder klagen.

Fällt das deutsche Klingelschild also tatsächlich einer EU-Verordnung zum Opfer? Haben demnächst alle nur noch Nummern auf dem Briefkasten stehen oder neutrale Angaben wie „2. OG links“?

„Ich habe das für einen Witz oder eine Satire gehalten“, sagt Ulrich Ropertz unserer Redaktion, der Sprecher des Deutschen Mieterbundes. „Zumindest hat das mit Datenschutzverordnung oder europäischem Datenschutz wenig zu tun.“ Das Anbringen von Klingelschildern sei für die Vertragsdurchführung erforderlich und daher auch ohne Zustimmung des Mieters erlaubt. „Der Vermieter muss ja gewährleisten, dass der Mieter jederzeit identifizierbar ist.“ Es könne schließlich notwendig sein, dass die Polizei, das Jugendamt oder andere Behörden mit dem Mieter Kontakt aufnehmen müssen. Wenn der Vermieter tatsächlich glaube, Klingel- und Briefkastenschilder abbauen zu müssen, könne er das auf eigene Kosten tun.

In Wahrheit ist die Türschild-Rechtslage wohl mindestens unklar - in Österreich ebenso wie in Deutschland. „Das Ausstatten der Klingelschilder mit Namen für sich genommen ist weder eine automatisierte Verarbeitung noch eine tatsächliche oder beabsichtigte Speicherung in Dateisystemen“, teilt eine Sprecherin der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff unserer Redaktion mit. Insofern greife die DSGVO in diesem Fall gar nicht. Verbindlich einschätzen müsse die Lage aber die für den Vermieter jeweils zuständige Landesdatenschutzbehörde.

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Foto: ddp

Doch auch bei der Landesbeauftragten für Datenschutz in NRW sieht man das Klingelschild-Thema eher entspannt. „Wir haben uns noch nicht mit der Frage beschäftigt, ob die DSGVO Vermieter verpflichtet, die Klingelschilder ihrer Mieter abzuhängen“, teilt ein Sprecher mit. „Derzeit würden wir Vermieter jedoch nicht dazu auffordern.“ Es bleibe Wohnungseigentümern unbenommen, das Einverständnis ihrer Vermieter einzuholen.

Bei vielen großen kommunalen Immobilienunternehmen der Region wird jetzt gerade geprüft, was es mit dem Fall in Wien auf sich hat, und ob auch in Deutschland bei den Klingelschildern gehandelt werden muss.

Beim Bauverein Erkelenz, der immerhin 237 Wohnungen vermietet, löst die Regelung in Wien nur Kopfschütteln aus. Das Entfernen aller Namensschilder sei zwar machbar, aber wenig praktikabel. "Wie soll da etwa ein Briefträger wissen, welcher Brief für welchen Bewohner eines Mehrfamilienhauses sein soll?", fragt Geschäftsführer Norbert Schnitzler. Es sei jetzt schon jedem Mieter freigestellt, das Namensschild neben dem Klingelknopf zu entfernen. "Dann darf er sich aber nicht wundern, wenn ein Geldbote der Lottogesellschaft einen Gewinn nicht abliefern kann."

Mit Unterstützung der RP-Lokalredaktionen

Update: Am Donnerstagabend stellte die Bundesbeauftragte für Datenschutz klar, dass eine Entfernung von Klingelschildern aus Datenschutzgründen nicht erforderlich ist. „Die Aufforderung zur Entfernung sämtlicher Klingelschilder ist unnötig“, heißt es da.

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