Schwerpunkt Euro-Rettung Draghi verteidigt EZB-Anleihekäufe

Berlin · Der Präsident der Europäischen Zentralbank wirbt in Berlin vor deutschen Industrievertretern für seinen umstrittenen Kurs bei der Euro-Rettung. Die Notenbank baue den Euro-Staaten mit dem Kauf von Staatsanleihen eine "Brücke". Griechenland beansprucht zusätzlich 15 Milliarden Euro Hilfe.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat den vor allem in Deutschland umstrittenen Plan der Notenbank verteidigt, notfalls unbegrenzt und unter Auflagen Anleihen aus Euro-Krisenländern am Kapitalmarkt aufzukaufen. Die Maßnahmen der EZB könnten nur eine "Brücke" für die Regierungen sein, die Euro-Zone auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen und weitere Strukturreformen umzusetzen. Sie seien notwendig geworden, weil die Geldpolitik nicht mehr überall in der Euro-Zone gleichermaßen wirke. Die Zinsen für Bankkredite seien in Südeuropa trotz der Niedrigzinspolitik der EZB doppelt so hoch wie etwa in Deutschland.

Der EZB-Rat hatte am 6. September gegen die Stimme von Bundesbank-Chef Jens Weidmann entschieden, notfalls in großem Stil Staatsanleihen zu kaufen, um die Durchschlagskraft der Geldpolitik überall in der Euro-Zone wieder herzustellen. Aus Sicht Weidmanns verletzt die EZB damit jedoch ihr Mandat, die Geldwertstabilität im Euro-Raum zu sichern. Es sei zu nah an einer verbotenen Staatsfinanzierung durch die Notenpresse, so Weidmann.

Mit seinem Besuch in Berlin, bei dem Draghi auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammenkam, will der EZB-Präsident in Deutschland für Verständnis für seine Politik werben. Bald will der Italiener seine Strategie der Euro-Rettung auch im Haushaltsausschuss des Bundestags darlegen.

Nach der Ankündigung des Programms zeigten sich bereits Fortschritte, sagte Draghi auf dem "Tag der Industrie" des Wirtschaftsverbandes BDI.

Es gebe viele "positive Zeichen" in den Euro-Ländern, viele Staaten würden harte Reformen umsetzen. Die Anleihezinsen von Krisenländern seien bereits spürbar gesunken. "Das zeigt, dass die Investoren im Grunde Vertrauen haben in die Richtung, die wir eingeschlagen haben."

Der EZB-Rat habe vor der Wahl gestanden, entweder "Nein zu allem" zu sagen — Draghi sagte diese drei Worte in seiner ansonsten englischsprachigen Rede auf Deutsch — oder aber aktiv zu werden. Er sei überzeugt, dass sich die Euro-Krise nur durch Aktion, nicht durch Abwarten lösen lasse, so Draghi. Die Aktionen der EZB seien im ureigenen Interesse Deutschlands. "Eine stabile Euro-Zone ist Voraussetzung für eine starke deutsche Wirtschaft", sagte der EZB-Präsident.

Wenn die EZB aktiv werde, werde sie dies nur auf dem Sekundärmarkt tun, also auf dem Markt für bereits gehandelte Staatsanleihen. Direkt von den Ländern werde die EZB keine Papiere kaufen. Alle Käufe seien verbunden mit Auflagen. "Wir stellen sicher, dass die Regierungen weitermachen mit Reformen", sagte Draghi unter dem Applaus der etwa 500 Industrievertreter. EZB-Interventionen und Auflagen für die Regierungen gehörten untrennbar zusammen. "Wir werden die Bürger im Euro-Raum nicht enttäuschen", warb Draghi eindringlich für sein Rettungskonzept.

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Peter Keitel, hatte zuvor deutlich gemacht, dass die deutsche Wirtschaft den Einspruch des Bundesbankpräsidenten im EZB-Rat gutheiße. Er sei überzeugt, dass die Diskussion im EZB-Rat ohne Weidmanns beherztes Eintreten noch ganz anders verlaufen wäre. Keitel lobte allerdings auch die EZB-Politik zur Krisenbekämpfung, die Aufkäufe von Staatsanleihen dürften aber kein "Langzeitprogamm" sein.

Griechenland hat unterdessen erstmals die Finanzierungslücke beziffert, die durch den von Athen geforderten Reformaufschub um zwei Jahre entstehen dürfte: Das Land benötige zusätzlich 13 bis 15 Milliarden Euro Hilfe, sagte Finanzminister Yannis Stournaras. EU-Diplomaten schätzen die Lücke dagegen auf etwa 30 Milliarden Euro.

(mar)
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