Kauf von Staatsanleihen durch EZB? Draghi befeuert die Börsenkurse

Frankfurt/Main · Mit Äußerungen über mögliche Notfallmaßnahmen der Europäischen Zentralbank gegen die niedrige Inflation und die Konjunkturschwäche in der Euro-Zone hat Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), gestern vorübergehend einen Höhenflug an der Börse ausgelöst.

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Der EZB-Rat habe seine Fachabteilungen beauftragt, rasch neue Instrumente für den Notfall zu erarbeiten, sagte Draghi. Daraufhin kletterte der Deutsche Aktien-Index um 1,4 Prozent, fiel aber dann wieder auf ein Plus von 0,66 Punkten zurück. Der Leitzins bleibt auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent.

Spekuliert wird nun wieder über den Kauf von Unternehmens- oder Staatsanleihen. Draghi sagte, einstimmig habe das Gremium beschlossen, den EZB-Mitarbeiterstab und die relevanten Ausschüsse des Eurosystems zu beauftragen, die zeitnahe Vorbereitung neuer Maßnahmen sicherzustellen, um diese, wenn nötig, umzusetzen. Wenn nötig - das bedeutet im Fall einer weiteren Verschlechterung der Konjunkturdaten, aber auch dann, wenn die Inflation länger so niedrig bleiben sollte.

Draghi stellte gestern klar, dass der Rat geschlossen hinter ihm steht. An den vergangenen Tagen hatte es Berichte über angebliche Unstimmigkeiten unter den 24 Mitgliedern des EZB-Rats gegeben - sowohl, was die geldpolitische Ausrichtung als auch den Führungsstil des Italieners angeht. Doch diese Unstimmigkeiten hatten die Direktoriumsmitglieder und die Notenbankchefs der Euro-Mitgliedsländer offenbar gestern bei einem Abendessen ausgeräumt.

Das Essen sei wie erwartet, ja sogar besser als erwartet gelaufen, berichtete Draghi gestern und führte noch aus, dass man während des gesamten Abendessens eine sehr produktive, interessante und sehr offene Diskussion über dieses Thema geführt habe. Und überhaupt gebe es im EZB-Rat keine Spaltung zwischen den Mitgliedern des Nordens und denen des Südens, so wie das in den Medien häufig unterstellt werde. Es gebe keine Koalitionen, die EZB-Räte seien unabhängig. Gut gelaunt wie selten erläuterte der Italiener gestern die Ergebnisse der Ratssitzung - und des Essens. Er schien erleichtert darüber zu sein, dass die EZB wieder mit einer Stimme spricht. Eine Uneinigkeit in der Wirkung nach außen hätte die Kraft der Notenbank auch stark geschwächt. Sie muss zur Bekämpfung der niedrigen Inflation und zur Ankurbelung der Konjunktur vor allem die Finanzmärkte überzeugen.

Wann die Geldpolitik weiter gelockert wird, bleibt offen. Die Daten zeigten aber, so Draghi, dass sich die konjunkturellen Aussichten weiter eingetrübt hätten. Beobachter vermuten, dass die EZB abwartet, wie der Europäische Gerichtshof mögliche Käufe von Staatsanleihen durch die Notenbank beurteilt. Die EZB hatte 2012 angekündigt, sie sei bereit, unbegrenzt Staatsanleihen von Ländern zu kaufen. Ob sie damit ihre Kompetenzen überschritten hat, ist die zentrale rechtliche Frage des Verfahrens. Eine Entscheidung wird zu Beginn des kommenden Jahres erwartet.

(RP)
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