Diesel Dieselkrise: Merkel und Scheuer streben Paketlösung an

Berlin · Die Bundeskanzlerin kommt der Autoindustrie bei CO2-Grenzwerten entgegen, verlangt aber die Übernahme von Milliardenkosten zur Umrüstung von älteren Dieselfahrzeugen.

 Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) steht auch selbst unter Druck.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) steht auch selbst unter Druck.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Autoindustrie im Kampf gegen höhere CO2-Grenzwerte der EU unterstützen, verlangt im Gegenzug aber ein deutliches Entgegenkommen der Autohersteller bei der Lösung der Dieselkrise. Sie halte den von Umwelt- und Klimaschützern heftig kritisierten Vorschlag der EU-Kommission, die Grenzwerte für Neuwagen zwischen 2021 und 2030 nur um 30 Prozent zu senken, für vernünftig, sagte Merkel auf dem Tag der Industrie in Berlin. „Alles, was darüber hinausgeht, birgt die Gefahr, dass wir die Automobilindustrie aus Europa vertreiben“, sagte sie. Gleichzeitig wurden am Dienstag Pläne der Regierung zur Umrüstung und zum Umtausch von Millionen Dieselfahrzeugen bekannt, die zusätzliche Milliardenkosten für die Autoindustrie bedeuten. Bis kommenden Montag will Merkel in der Koalition eine mit den Herstellern abgestimmte Lösung durchsetzen, die weitere Fahrverbote in den Städten verhindert.

Ein Treffen der Konzernchefs mit Merkel und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Sonntagabend war zunächst ergebnislos geblieben. Scheuer hatte auf Verlangen Merkels jedoch bereits für dieses Treffen ein Vorschlagspapier erarbeitet, das sich Merkel in den Verhandlungen mit der Industrie zu eigen gemacht hatte. Die Vorschläge Scheuers sind auch in weiteren Gesprächen der Regierung mit der Industrie jetzt die Marschroute. Das Problem der Regierung ist, dass sie die Hersteller rechtlich kaum zwingen kann, Milliardenkosten zu übernehmen, weil die Manipulation der Dieselmotoren wegen eines Schlupflochs bei der Regulierung legal möglich gewesen war. Die Industrievertreter stehen allerdings unter erheblichem öffentlichen Druck, als Verursacher der Dieselkrise für die Folgekosten aufzukommen.

Scheuer dementierte am Dienstag, dass er auch die betroffenen Dieselfahrer mit 20 Prozent an den Kosten einer Hardware-Umrüstung der Motoren beteiligen wolle. „Mein Ziel ist, die Selbstbeteiligung der Halter auf Null zu setzen“, erklärte er. Zuvor hatte der Bundesverband Verbraucherzentrale empört auf einen „Handelsblatt“-Bericht reagiert, wonach auch die Halter selbst mit Umrüstungskosten konfrontiert werden sollten. Allerdings finden sich diese Pläne tatsächlich in einem Papier Scheuers, das am Dienstag in Berlin kursierte und aus dem „Spiegel online“ zitierte.

Demnach wäre die Hardware-Nachrüstung mit so genannten SCR-Katalysatoren eine Option für Fahrer von schmutzigen Dieselfahrzeugen, die ihr Auto nicht umtauschen, sondern behalten wollen. Allerdings sollen nur Fahrer in einem bestimmten Radius um die 65 am meisten unter schlechter Luft leidenden Städte die Nachrüstung von den Herstellern verlangen können. In Scheuers Papier vom Sonntag war von einer weiteren Eingrenzung auf die neun am meisten von Fahrverboten bedrohten Städte wie München, Stuttgart, Düsseldorf, Köln, Hamburg und Frankfurt die Rede. Die Industrie solle 80 Prozent der Kosten von bis zu 3000 Euro pro Fahrzeug übernehmen, auf die Halter kämen dann noch bis zu 20 Prozent oder 600 Euro zu, heißt es darin. Diese Variante dürfte aber nach der Klarstellung Scheuers am Dienstag jetzt nicht mehr zur Debatte stehen.

Der Verkehrsminister hat zwar seinen bisherigen Widerstand gegen die Nachrüstung damit aufgegeben, doch er setzt vor allem auf großzügige Umtauschangebote der Industrie an die betroffenen Halter, weil über diesen Weg die Luft in den Städten schneller verbessert werden kann. Die Hersteller sollen Dieselfahrzeuge der Euro-Normen vier und fünf in großem Umfang zurückkaufen. Wenn Halter zum Software-Update in die Werkstatt kommen, soll ihnen der Händler den Umtausch des Autos in ein saubereres Fahrzeug anbieten. Bei der Berechnung des Rückkaufpreises des alten Diesel sollen die Hersteller den Kunden den „Zeitwert“ des Autos ersetzen, der sich aus der Schwacke-Liste für Gebrauchtwagen ergibt. Dazu soll es obendrauf einen Wertverlust-Ausgleich aufgrund der Dieselkrise in Höhe von 20 Prozent geben. Ob sich dieser Vorschlag durchsetzt, soll bis zum Freitag entschieden werden.

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