Trend auf dem Arbeitsmarkt Die wertvollen Älteren

Berlin · Neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass der Anteil der 50- bis 65-Jährigen unter den sozialversicherungspflichtig Angestellten zunimmt – ein Trend, der sich noch beschleunigen wird.

Rente: So lange wird in Europa gearbeitet
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Foto: ddp

Neue Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass der Anteil der 50- bis 65-Jährigen unter den sozialversicherungspflichtig Angestellten zunimmt — ein Trend, der sich noch beschleunigen wird.

Es ist geradezu atemberaubend, was Wohlstand, medizinischer Fortschritt und Vererbung so zustande bringen: Jedes heute Neugeborene wird drei Monate länger leben als ein Kind, das vor einem Jahr geboren wurde. Täglich steigt die Lebenserwartung der neugeborenen Babys um sechs Stunden. Und allein in Deutschland nahm die durchschnittliche Lebenserwartung im 20. Jahrhundert um fast 30 Jahre zu.

Im Schnitt werden Männer heute fast 78, Frauen sogar fast 83 Jahre alt. Wer also heute 50 ist, hat noch rund 30 Jahre vor sich, die Lebensmitte ist gerade erst überschritten. Man gilt in diesem Alter zwar schon als ein Mensch mittleren Alters, aber man steht gefühlt noch im Zenit seiner Leistungskraft, die sich zusammensetzt aus körperlicher und geistiger Energie. Mancher mit über 50 sieht sich noch am Beginn einer Karriere.

Dieser Mentalitätswandel schlägt sich nun eindrucksvoll auch in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) nieder: Der Anteil der 50- bis 65-Jährigen an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist nach den jüngsten Daten der Nürnberger Behörde seit 2000 kontinuierlich von 33,5 auf heute 47,2 Prozent gestiegen. Auch unter den Ältesten, den 60- bis 65-Jährigen, wuchs die Lust am Weiterarbeiten — ihr Anteil liegt bei 27,5 Prozent im zweiten Vierteljahr 2010. In den ersten drei Monaten des Jahres betrug er noch gut einen Prozentpunkt weniger. Die BA macht dafür vor allem das Ende der staatlichen Frühverrentungspolitik verantwortlich.

Die Arbeitsmarktexperten schauen so genau auf diese Zahlen, weil sie beweisen sollen, dass die Rente mit 67 die Menschen nicht überfordern wird, wenn sie 2029 — in fast 20 Jahren — für alle Jahrgänge ab 1964 Wirklichkeit geworden ist. Gewerkschaften, SPD und Linke sind gegen die Rente mit 67, weil sie glauben, den Älteren würden nicht genügend Jobs angeboten. Viele von ihnen, argumentieren sie, müssten deshalb vorzeitig in Rente gehen und empfindliche Abschläge in Kauf nehmen. Die Rente mit 67 sei in Wahrheit eine verdeckte Rentenkürzung, argumentieren sie.

Dass die Beschäftigung der Älteren weiter drastisch zunehmen wird, meint dagegen nicht nur Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die sich gegen jede Änderung an der Rente mit 67 wehrt. Auch Bert Rürup, Ex-Chef der Wirtschaftsweisen, glaubt, dass die Unternehmen wissen, was sie an ihren erfahreneren und noch leistungsfähigen Mitarbeitern haben: "Die Unternehmen reißen sich um qualifizierte Fachkräfte — wie alt sie sind, wird immer unwichtiger."

Alle vier Jahre will die Regierung überprüfen, wie hoch der Anteil der über 60-Jährigen an der Beschäftigung insgesamt ist. Diese sogenannte Revisionsklausel sollte ein Alibi für die Einführung der Rente mit 67 liefern. Aus Sicht Rürups kann sich die Politik diese Arbeit allerdings sparen, denn eines sei klar: Die gegenwärtige Beschäftigungsquote Älterer spiegele mit Sicherheit nicht die Lage in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wider. Die Beschäftigung Älterer werde weiter deutlich steigen.

Allerdings, warnen Arbeitsmarktexperten, gibt es auch Verlierer unter den Älteren. Über 50-Jährige, die ihren Job verlieren, haben noch immer größere Probleme, wieder eine Anstellung zu finden, als Jüngere. 43 Prozent suchen länger als ein Jahr, 21 Prozent sogar mehr als zwei Jahre. Die Regierung tut also gut daran, wenn sie in die Um- und Fortbildung bei Älteren investiert — und mehr gegen Altersarmut angeht.

(RP/pst)
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