Interview mit dem DIHK-Chef Schweitzer "Die Solarförderung muss aufhören"

Wirtschaft · DIHK-Präsident Eric Schweitzer hat im Gespräch mit unserer Redaktion einen sofortigen und kompletten Stopp der Solarförderung nach der Bundestagswahl gefordert.

DIHK-Präsident Eric Schweitzer spricht sich für einen baldigen Stopp der Solarförderung aus.

DIHK-Präsident Eric Schweitzer spricht sich für einen baldigen Stopp der Solarförderung aus.

Foto: DPA / Hannibal Hanschke

Die NSA-Affäre beschäftigt uns seit Wochen. Muss die Bundesregierung die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA um ein Abkommen gegen Wirtschaftsspionage erweitern?

Schweitzer Zunächst einmal wäre ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU eine große Chance für Wachstum und Wohlstand. Das Abkommen könnte allein in Deutschland über 100 000 Jobs schaffen. Wir sollten mit unseren US-Freunden über die Abhörvorwürfe sprechen und Aufklärung verlangen. Das Freihandelsabkommen darf aber nicht gefährdet werden.

In zwei Monaten ist die Bundestagswahl. Die Wirtschaftsverbände, auch der DIHK, haben die Programme von SPD und Grünen kritisiert. Ein Wahlaufruf für Schwarz-Gelb?

Schweitzer Nein. Der DIHK ist seit 152 Jahren überparteilich tätig und das wird so bleiben. Aber die Pläne von SPD und Grünen bei der Vermögen- und Einkommensteuer gefährden 1,8 Millionen Jobs in Deutschland. Das ist eine reale Gefahr. Darauf müssen wir als Interessenvertreter der Wirtschaft hinweisen.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagt, es werde keine Vermögensteuer geben, die die Substanz der Unternehmen besteuert.

Schweitzer Eine Vermögensteuer ohne Substanzbesteuerung ist nicht möglich. Das ist wie alpin Skifahren bei 25 Grad in der Sonne auf Ibiza. Das funktioniert halt nicht. Vermögen ist per se Substanz. Sollte die Substanz besteuert werden, trifft das vor allem die Familienunternehmen im Kern und gefährdet ihre Investitionen. Darauf weise ich hin.

Sie sind vergangenes Jahr aus der FDP ausgetreten. Warum eigentlich?

Schweitzer Das hatte private Gründe.

Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel wirft den Wirtschaftsverbänden Anbiederung an die Kanzlerin vor.

Schweitzer Ach ja, der Herr Henkel.

Unabhängig von der Person Henkel. Sind Sie zu zahm bei der Kanzlerin?

Schweitzer Nein, wir sind höflich in der Form, aber kritisch in der Sache. Das Management der Energiewende kritisieren wir deutlich, auch bei den geplanten neuen sozialen Leistungen wie Mütterrente und Lebensleistungsrente haben wir uns kritisch zu Wort gemeldet. Wir sind stets an der Sache orientiert.

Wie bewerten Sie denn die wirtschaftspolitischen Reformen der Regierung Merkel/Rösler?

Schweitzer Sie hätte deutlich mehr erreichen können. Positiv ist, dass die Steuern nicht erhöht wurden. Die Bilanz bei der Konsolidierung des Bundeshaushalts ist ordentlich — so wie das Krisenmanagement in Europa. Beim Thema Energiewende wurde aber einiges verschlafen.

Was muss in einem Sofortprogramm der Bundesregierung stehen?

Schweitzer Auf jeden Fall brauchen wir schnell einen gesetzlichen Rahmen, durch den die staatlichen Kosten der Förderung der erneuerbaren Energien zurückgefahren werden. Das EEG ist Planwirtschaft pur. Damit werden jährlich 20 Milliarden Euro umverteilt, so viel wie der Etat Berlins. Die massive Ökostromförderung gängelt Verbraucher und Unternehmen so sehr, dass die hohen Strompreise Wachstum bremsen und Investitionen verhindern. Es kann nicht sein, dass ein Anbieter von Solaranlagen einen dreifach höheren Preis für seinen Strom bekommt, als er am Markt wert ist. Und er bekommt die garantierte Dividende auch noch unabhängig davon, ob der Strom im Netz gerade gebraucht wird, gespeichert oder abgenommen werden kann. Die Solarförderung muss nach der Wahl sofort für alle Neuanlagen komplett gestoppt werden. Bei der Windenergie muss strenger nach Bedarf gefördert und die Förderung in den nächsten fünf Jahren auf Null heruntergefahren werden.

Wie soll Öko-Strom wettbewerbsfähig werden?

Schweitzer Die erneuerbaren Energien werden künftig wettbewerbsfähig sein, davon bin ich überzeugt. Aber das entscheidet der Markt. Anbieter von Öko-Strom sollten künftig auch für den Vertrieb und die Abnahme des Stroms verantwortlich sein. Das heißt, dass Anbieter von erneuerbaren Energien auch für Speichertechnologien und die Grundlastfähigkeit des Stroms zahlen müssen, wenn sie ihr Produkt verkaufen wollen. Chance und Risiko müssen zusammengehen, wie es sich für unternehmerische Investitionen gehört. Eine Reform des EEG ist neben Europa das wichtigste Thema nach der Bundestagswahl. Übrigens sollte gerade Nordrhein-Westfalen daran ein Interesse haben, das besonders von der Umverteilung im EEG belastet ist.

Was muss eine neue Regierung noch tun?

Schweitzer Wir brauchen eine bessere Finanzierung der Infrastruktur. Der Staat nimmt pro Jahr 54 Milliarden Euro durch Lkw-Maut, Mineralöl-, Kfz- und andere verkehrsbezogene Steuern ein, gibt aber nur 20 Milliarden Euro direkt für die Infrastruktur aus. Das ist zu wenig. Der Investitionsstau bei Brücken und Straßen gefährdet das Wirtschaftswachstum. Der Staat muss mindestens fünf Milliarden Euro pro Jahr mehr in Instandhaltung und Ausbau von Infrastruktur geben.

Die Pkw-Maut — eine ökonomische Lösung für den Investitionsstau?

Schweitzer Wenn die Pkw-Maut mit einer Absenkung der Kfz-Steuer einhergeht, so dass keine neuen Belastungen entstehen, habe ich dagegen nichts einzuwenden. Die Erfahrung mit der Politik lehrt aber, dass neue Abgaben meist zusätzlich eingeführt werden. Außerdem könnten öffentliche Infrastrukturprojekte stärker mit der Privatwirtschaft durchgeführt werden. Wenn Private sich an Infrastrukturprojekten beteiligen dürfen, dann ist der Erfolgs- und Kontrolldruck größer.

Die Wirtschaft sucht händeringend Fachkräfte. Die demografische Entwicklung ist besorgniserregend. Was schlagen Sie vor?

Schweitzer Ein existenzielles Thema für die Wirtschaft. Wir werden in zwölf Jahren sechs Millionen weniger Arbeitskräfte haben. Das führt zu einem dramatischen Wohlstandsverlust. Wir müssen gegensteuern — bessere Qualifizierung und Ausbildung, aber auch mehr Zuwanderung. Bis 2025 brauchen wir 1,5 Millionen ausländische Fachkräfte — rund 120 000 pro Jahr.

Michael Bröcker stellte die Fragen

(brö)
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