Düsseldorf Die Not der NRW-Konzerne

Düsseldorf · Der Stromkonzern RWE wollte mit Gazprom aus Russland neue Gaskraftwerke bauen – doch aus dem Geschäft wird nichts. Dabei steckt nicht nur RWE in der Krise: Überdurchschnittlich viele Konzerne in NRW wie Haniel, ThyssenKrupp, die Telekom oder Eon müssen mit großen Problemen kämpfen.

Gestern war für Jürgen Großmann ein schwarzer Tag. Eigentlich hatte der RWE-Chef gehofft, wenige Monate vor Ende seiner Amtszeit ein historisches Bündnis mit Russlands Gasgiganten Gazprom abzuschließen. Doch es kam anders: Nach langem Ringen wurde das Scheitern exklusiver Verhandlungen bekanntgegeben. Großmann: "Bedauerlicherweise konnten wir uns nicht auf einen für beide Seiten tragfähigen Rahmen für eine Zusammenarbeit einigen."

Erneut erleidet nun mit RWE ein wichtiger NRW-Konzern einen schweren Rückschlag. Großmann hatte gehofft, Kapital für den Bau von Kraftwerken und günstiges Gas zu bekommen, um wieder aus der Krise zu kommen, nun bleibt er weiterhin gelähmt durch Atom-Ausstieg, drohende CO2-Abgaben und härteren Wettbewerb durch Stadtwerke.

So wie RWE stecken auffällig viele große Firmen des Landes tief in der Krise. Wettbewerber Eon aus Düsseldorf baut 7000 Stellen alleine in Deutschland ab, um angeblich zu hohe Kosten zu sparen – gestern Abend musste Vorstandschef Johannes Teyssen auch noch bekanntgeben, beim Bieten um den portugiesischen Versorger EDP gescheitert zu sein.

Der Duisburger Mischkonzern Haniel wurde Anfang Dezember von der Ratingagentur Standard & Pooor's bei seiner Kreditwürdigkeit auf "Ramsch" heruntergestuft – zu hohe Schulden und der massiv gesunkene Wert des riesigen Hauptablegers Metro in Düsseldorf machen zu schaffen.

Die Deutsche Telekom scheiterte mit dem Verkauf des US-Geschäfts und muss nun auf Einnahmen von knapp 30 Milliarden Euro verzichten – Sparhans ist König bei den Bonnern, eine neue Rationalisierungsrunde im Management sowie in der Computertechnik steht bevor.

ThyssenKrupp musste unlängst erneut 2,1 Milliarden Euro auf Stahlwerke in Amerika abschreiben – ein Desaster. Ex-Chef Ekkehard Schulz wird quasi zur Strafe den Aufsichtsrat verlassen, der Konzern prüft, ihn auf Schadenersatz zu verklagen.

So unterschiedlich die Details der Krise der NRW-Konzerne sind, so gibt es doch eine Gemeinsamkeit. Ob Haniel oder RWE, ob ThyssenKrupp oder Telekom: Immer läuft der Aufbau neuer Geschäfte deutlich schlechter als erwartet, während die alten Geschäfte schwächeln. Roland Döhrn vom Essener Forschungsinstitut RWI: "Viele NRW-Firmen wollen sich vom traditionellen Geschäft teilweise verabschieden und Neues, Innovatives aufbauen. Sie müssen bei diesem Strukturwandel aber häufig enorm kämpfen."

Fast schon exemplarisch lässt sich das Problem bei Haniel aus Duisburg sowie der Telekom beleuchten.

Eigentlich will Haniel die extrem hohe Abhängigkeit vom "Klumpenrisiko" Metro abbauen und völlig neue Firmen rund um die Welt aufbauen. Tatsächlich ist es aber Vorstandschef Jürgen Kluge in den zwei Jahren seiner Amtszeit nicht gelungen, ernsthafte neue Beteiligungen aufzubauen. Ein Hauptgrund: Weil Haniel bereits vor Kluges Start die Anteile an Metro mächtig erhöhte und dafür Milliardenkredite aufnahm, fehlt das Geld für andere Aktivitäten. So hängt es möglicherweise nicht nur mit den Querelen um Metro zusammen, dass der 58-jährige Kluge seinen Vertrag über Ende 2012 hinaus nicht verlängern will – er kann mangels Finanzkraft sowieso nicht viel bewegen.

Ähnlich klamm steht die Telekom da. Für mehr als 40 Milliarden Euro stieg Ex-Chef Ron Sommer vor zehn Jahren in den USA ein. Weil der Ableger T-Mobile USA aber immer neues Kapital braucht und zu klein ist, um alleine standzuhalten, versuchte Telekom-Boss René Obermann, die Firma an AT&T zu verkaufen – das wurde aber diese Woche von den US-Wettbewerbsbehörden verhindert. 45 Milliarden Euro Schulden lasten auf Deutschlands größtem Telefonkonzern. Nun fehlt Geld, um das Festnetz auf breiter Front zum Glasfasernetz auszubauen. "Finanzdisziplin zählt", verkündete Obermann und verzichtet auf größere Zukäufe.

Die alten Geschäfte stagnieren, darum muss neues Wachstum her – das ist die Grundlogik des strategischen Umbaus aller großen Unternehmen. Dabei haben es einige NRW-Konzerne richtig gemacht – andere haben dagegen entweder Pech oder machen mächtige Fehler. Das ganze Land trifft die Folgen.

Halbwegs gut lief bei Henkel der Ausbau der Klebstoffsparte – nach hohen Umbaukosten profitiert sie nun von Aufträgen aus der Auto- und High-Tech-Industrie. Bayer hat die Pharmasparte ausgebaut und Schering geschluckt – die Strategie ging auf.

RWE und Eon haben Pech gehabt. Eon erwarb zuerst die extrem lukrative Ruhrgas, um von den exzellenten Margen beim Gashandel zu profitieren – doch die Margen sind verfallen. RWE und Eon müssen wegen der Atomkatastrophe in Japan ihre Kernkraftwerke abschalten – damit fehlen die Gewinne, um neue Geschäfte aufzubauen. RWE hatte denn auch keine Alternative, als vor wenigen Wochen das Kapital zu erhöhen, um noch ausreichend in neue Felder wie Öko-Energien investieren zu können.

Bei ThyssenKrupp fehlt wegen der in Brasilien und USA ausgegebenen rund zehn Milliarden Euro das Kapital, um die gut laufende Industriesparte auszubauen. Weil der neue von Siemens kommende Vorstandschef Heinrich Hiesinger aber gerade dieses Geschäft vorantreiben will, muss das Geld doch hineinkommen: Die 100 Jahre alte Edelstahlsparte wird 2012 verkauft oder an die Börse gebracht. Der Schritt mag richtig sein – ein Zeichen von Stärke ist er nicht.

(RP)
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