Essen Die Krise bei RWE verschärft sich weiter

Essen · Um 62 Prozent bricht das Ergebnis im ersten Halbjahr ein - die Aktie rutscht ab. Nun drängt der Vorstand auf den Abbau von Sozialleistungen im Unternehmen - die Gewerkschaft ist sauer. Kommunen müssen um die Dividende zittern.

Die 63 000 Mitarbeiter bei RWE müssen sich auf noch härtere Zeiten einstellen. Der Vorstand will die relativ großzügigen Sozialleistungen einschmelzen, um die Kosten zu senken. Das erklärte Personalvorstand Uwe Tigges gestern bei der Vorlage der Halbjahreszahlen. Nur noch bis Ende des Jahres gilt der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bei Deutschlands zweitgrößtem Stromkonzern.

Die Aussagen bestätigen, dass sich die Krise bei RWE weiter verschärft. Um 62 Prozent brach das nachhaltige Ergebnis als wichtigste Kennzahl des Konzerns auf 749 Millionen Euro ein, die Aktie rutschte um 2,4 Prozent ab, es droht weiterer Krach mit den Arbeitnehmern. "Vorauseilende Ankündigungen, ob es um Beschäftigtenzahlen oder den Abbau von Leistungen geht, schaden nur", sagte Ralf Sikorksi, Vorstand der Gewerkschaft IG BCE, unserer Zeitung.

Zu den Zahlen: RWE-Finanzvorstand Bernhard Günther musste einräumen, dass sich die Jahresprognose eines nachhaltigen Ergebnisses zwischen 1,2 und 1,4 Milliarden Euro nur noch knapp halten lässt - nun werde man "den unteren Teil des Horizonts" anpeilen. Und als Ergebnis droht, dass die RWE-Dividende nach ihrem Sturz von zwei Euro in 2012 auf einen Euro in 2013 noch einmal gekürzt wird - betroffen wären auch viele Ruhr-Kommunen wie Dortmund oder Essen, aber auch Mönchengladbach als RWE-Aktionäre.

Denn RWE will nur 40 bis 50 Prozent des nachhaltigen Gewinns an die Aktionäre ausschütten. Da es aber 615 Millionen Papiere gibt, müssen sogar bei einer Ausschüttung von 50 Prozent 1,23 Milliarden Euro verdient werden. Jeder weitere Gewinneinbruch dieses Jahr oder später gefährdet also die Dividende von einem Euro. "Das ist auf Kante genäht", sagt ein Aufsichtsrat, "Planungssicherheit für die Anteilseigner sieht anders aus."

Dabei verschärft sich die Krise weiter. RWE-Chef Peter Terium fürchtet eine Sonderlast von mehr als 100 Millionen Euro für den rheinischen Braunkohletagebau, falls der ab 2017 nicht mehr von den EEG-Abgaben zur Finanzierung des Ökostroms befreit würde. "Dies wäre nicht zu verkraften", warnt Terium, "unsere wirtschaftliche Situation ist schon jetzt prekär genug."

In der Tat: Wegen sinkender Preise an der Strombörse sowie niedrigem Gasabsatz sank der Umsatz in den ersten sechs Monaten um zehn Prozent auf 25,1 Milliarden Euro, zwischen April und Juni wurden beim nachhaltigen Ergebnis sogar rote Zahlen geschrieben.

Weil die Kraftwerke wegen der hohen Menge an eingeleitetem Ökostrom immer weniger Geld bringen, hatte der Konzern in dieser Woche angekündigt, drei weitere Kohlekraftwerke mit einer Leistung von 1000 Megawatt stillzulegen. Insgesamt sollen in Deutschland und den Niederlanden 9000 Megawatt vom Netz gehen, in Großbritannien 5000 Megawatt, doch der Vorstand prüft weitere Stilllegungen. "Wir schauen uns regelmäßig jede Anlage an", sagt Finanzvorstand Günther.

Auf zwei Arten der Rettung hofft der Vorstand: Einerseits sollen bis 2016 die Kosten um mindestens 1,5 Milliarden Euro sinken - das wird die Belegschaft spüren. Gleichzeitig sollen die Verbraucher über den Strompreis hohe Subventionen dafür zahlen, dass Kohle- oder Gaskraftwerke als "Reservekapazitäten" am Netz bleiben, obwohl ihr Betrieb sich an sich nicht lohnt. Noch gestern lehnte in unserer Zeitung der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHK) solche Überlegungen ab. RWE-Leiter Terium wirbt umso deutlicher für solche Überlegungen: Die NRW-Braunkohlekraftwerke hätten bereits bewiesen, dass sie in wenigen Stunden ihre Kapazitäten um 5000 Megawatt erhöhen können.

(RP)
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