Studie IW warnt vor Vernachlässigung der Provinz

Die Forscher verlangen einen Schuldenerlass für die betroffenen Kommunen.

In Deutschland drohen 19 von 96 Regionen wegen Überalterung, kommunaler Überschuldung und schlechter Infrastruktur bei Verkehr und Breitbandausbau den Anschluss zu verlieren. Nach einer am Donnerstag vorgestellten Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zählen elf ostdeutsche Regionen als Gebiete mit akutem Handlungsbedarf, ebenso vier Regionen in NRW entlang der Ruhr sowie Bremerhaven, das Saarland, Schleswig-Holstein Ost und die Westpfalz.

Eine tiefe regionale Spaltung zwischen urbanen Eliten und ökonomisch abgehängter Provinz, wie man sie in vielen Ländern innerhalb und außerhalb der EU sehe, habe man in Deutschland bislang noch abwehren können. IW-Chef Michael Hüther wollte auch noch nicht davon sprechen, dass diese 19 gelisteten Regionen auf dem Weg zu einer Art deutschem „Rust Belt“, seien, also Regionen, die ausbluteten. Allerdings bestünde das Risiko einer solchen Entwicklung, wenn man nichts tue.

Der Studie zufolge hat vor allem Ostdeutschland ein Demografieproblem wegen des hohen Durchschnittsalters seiner Bewohner, das in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen sei. Auch das Stadt-Land-Gefälle sei ein Problem. Allerdings habe sich der Trend im Osten inzwischen umgekehrt. Mehr Menschen kehrten zurück anstatt wegzuziehen – vor allem Rentner, aber auch junge Familien, sagte Co-Autor Jens Südekum. „Die Abwanderung aus Ostdeutschland ist gestoppt.“ Grund für den Rückzug in den Osten seien auch hohe Mieten in den Ballungsgebieten.

Die drei westdeutschen Regionen Emscher-Lippe, Trier und Westpfalz fielen jeweils durch sehr hohe Verschuldungsquoten auf. Auch in NRW gebe es „Riesenprobleme“ bei der Altschuldenbereinigung. „Die betroffenen Länder sollten Schuldenerlasse für die Kommunen in Betracht ziehen, damit diese wieder handlungsfähig werden“, schlug IW-Direktor Hüther vor. In den Ruhrgebietsregionen Duisburg/Essen und Emscher-Lippe habe die Arbeitslosenquote 2017 bei noch über zehn Prozent gelegen. In Bremerhaven sei vor allem die hohe Verschuldung der privaten Haushalte ins Gewicht gefallen. Gegenden wie die Altmark, Magdeburg und Halle/Saale hinkten vor allem bei der Verfügbarkeit von Breitbandinternet hinterher.

Die Region Bonn, die Region Köln und die Region Düsseldorf gehören jeweils nicht zu den Problemregionen. Lediglich beim Stand ihrer kommunalen Schulden werden aber auch Bonn, Köln, Düsseldorf und die Region Aachen als gefährdet eingestuft. Beim Breitbandausbau gelten Bonn, Köln und Düsseldorf nicht als Problemzonen.

Die Autoren der Studie plädieren dafür, durch ein besseres Schienennetz mehr Gemeinden an Metropolen anzubinden, was diese Kommunen wiederum attraktiver mache und die Großstädte entlaste. Darüber hinaus sei der Breitbandausbau sowohl für Unternehmen wie auch für Privathaushalte ein zentraler Standortfaktor.

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