EZB-Ankündigung Die Folgen der Zinswende

AMSTERDAM · Der Konsum wird gebremst, Kredite werden unter anderem für Unternehmen, für private Verbraucher und auch für öffentliche Haushalte teurer. Für Sparer wird sich vorerst nicht viel ändern.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

Foto: dpa/Daniel Roland

Den ersten Schritt aus dem jahrelangen Zinstief in der Eurozone hat die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag gemacht. Ab Anfang Juli sollen keine neuen Milliardengelder mehr in den Kauf von Staatsanleihen und Wertpapieren von Unternehmen fließen, mit denen die Notenbank die Konjunktur in Europa in den vergangenen Jahren anzukurbeln versucht hat – vor allem jene in den verschuldeten Ländern Südeuropas. Am 21. Juli könnte dann die tatsächliche Anhebung des Leitzinses erfolgen. Eine Erhöhung auf 0,25 Prozent ist dann angedacht. Was heißt das für die Wirtschaft, für Sparer, Schuldner und öffentliche Haushalte?

Konjunktur Aus Sicht von Ifo-Präsident Clemens Fuest kommt die Zinserhöhung zu spät: „Es war nicht akzeptabel, dass die EZB bei einer Inflation von acht Prozent bis heute an Negativzinsen und Anleihenkäufen festgehalten hat“, sagte er am Donnerstag: Die Geldpolitik sei zu spät dran. Er rechne mit einem Abrutschen in eine Rezession.

Sparer Nicht, dass wir bei einem Leitzins oberhalb von null wirklich durchatmen könnten. Selbst wenn mittel- bis langfristig die Infationsrate wieder auf drei bis vier Prozent sinken würde, müsste eine Geldanlage eine ebensolche Rendite erzielen, damit der reale Vermögensverlust verhindert würde. Das ist nach derzeitigem Stand ohne Risiko nicht möglich. Wer das schaffen will, muss in Aktien, Rohstoffe, Gold oder Ähnliches investieren. Höhere Sparzinsen sind vorerst noch nicht in Sicht, auch wenn die EZB dem Vernehmen nach bis zum Jahresende noch weitere Zinserhöhungen plant. Vorerst gibt es also nur eine leichte Linderung für die Schmerzen der Sparer. Die Negativzinsen, die man bei Banken und Sparkassen zahlt, könnten aber bis Ende September verschwinden. Zumindest hat das EZB-Präsidentin Christine Lagarde angekündigt. Einstweilen bleiben sie noch, die Banken müssen vorerst noch 0,5 Prozent auf die Einlagen bei der Notenbank zahlen. Die meisten Institute geben diese Kosten zumindest teilweise an Kunden weiter.


Private Schuldner Bauherren haben es in den vergangenen Monaten schon gemerkt: Die Darlehenszinsen sind bereits stark gestiegen. Bei steigendem Leitzins dürfte sich die Entwicklung fortsetzen, auch wenn die Bauzinsen nicht direkt am Leitzins hängen, sondern an jenem für zehnjährige Staatsanleihen. Aber auch die Konditionen für Verbraucherkredite werden schlechter, sodass die Menschen weniger konsumieren. Das trägt in der Regel teilweise dazu bei, dass die Preise sinken – allerdings vor allem dann, wenn die Inflation von der Nachfrage getrieben ist. Aktuell sind die hohen Preise zwar vor allem durch den Ukraine-Krieg, Störungen der Lieferketten und so entstehende Angebotsverknappung bedingt. Nachhaltig sinkende Preise werden wir also erst dann haben, wenn sich die Lage entspannt. Aber eine Zinserhöhung würde immerhin ein Signal setzen.

Städte/Gemeinden Für öffentliche Haushalte wird die Finanzierung neu aufzunehmender Schulden auch teurer. „Vor dem Risiko einer Zinswende haben wir schon lange gewarnt. Dass es nun dazu kommt, war angesichts der Teuerungsraten zu erwarten. Vor allem für die Kommunen mit hohen Altschulden bergen steigende Zinsen eine hohe Sprengkraft“, sagte Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, unserer Redaktion. Seine Rechnung: „Eine Erhöhung der Zinsen um 0,25 Prozentpunkte läuft auf eine zusätzliche Belastung von fast 50 Millionen Euro pro Jahr hinaus.“ Es sei dringend Zeit, der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen ein Ende zu setzen, damit sie nicht mehr auf Liquiditätskredite angewiesen seien: „Eigentlich müssen die Städte und Gemeinden in Aufgaben wie Klimaschutz, Mobilitätswende oder Digitalisierung investieren.“ Die Zeiten, in denen Finanzminister noch Geld fürs Geldleihen  dazu bekamen, sind vorbei.

Börse Steigende Zinsen sind Gift für den Aktienmarkt, da sie beispielsweise über steigende Kreditkosten höhere Aufwendungen für Unternehmen und damit sinkende Gewinne implizieren. Ebenso machen sie Investments in Zinspapiere attraktiver. Das geschieht aber noch auf geringem Niveau. Die Ankündigung der Zinserhöhung hat dem Aktienmarkt am Donnerstag nur begrenzt geschadet. Der Dax fiel um rund 1,1 Prozent auf 14.214 Punkte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort