Stresstest der Europäischen Zentralbank Die Finanzkrise hat nichts verändert

Düsseldorf · Der Stresstest der Europäischen Zentralbank vermittelt den Eindruck, in Europas Bankenwelt sei vieles in Ordnung. Doch die Krisengefahr bleibt, weil die wesentlichen Gefahren im Finanzsystem nie beseitigt wurden.

Seitdem die Pleite der amerikanischen Bank Lehman Brothers 2008 das Weltfinanzsystem erschütterte, redet die Welt darüber, wie solche Finanzkrisen künftig zu verhindern seien. Als eines der geeigneten Gegenmittel erschien Europas Aufsehern der Stresstest, der die Krisenanfälligkeit von Banken überprüfen soll. Der jüngste Stresstest der Europäischen Zentralbank vermittelt nun den Eindruck, in der Bankenwelt auf dem Kontinent sei vieles in Ordnung. Immerhin sind vier von fünf Instituten gegen schwere Krisen an den Aktien- und Immobilienmärkten gefeit. Und von den 25, die beim Test der kontinentalen Bankenaufseher durchfielen, haben zwölf ihr Kapital schon nachgebessert. 13 müssen nachsitzen.

Das klingt alles wie "Wir haben alles im Griff". Haben wir aber nicht. Wir sind weit davon entfernt, die wesentlichen Gefahren im Finanzsystem gebannt zu haben. Allein die Tatsache, dass die Risiken für unsere gemeinsame Währung noch da sind, weil die Euro-Familie nicht dagegen geschützt ist, irgendwann noch einmal für ihre schwächeren Mitglieder zahlen zu müssen, zeigt, dass der Stresstest kein Gradmesser für die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems ist.

In der Euro-Krise gescheiterte Regierungen
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Foto: dapd, Michael Probst

Was ist überhaupt passiert seit diesem 15. September 2008, als die Lehman-Insolvenz die Finanzwelt in den Abgrund zu stürzen drohte? Eigentlich nichts. Es gibt kaum Manager, die wegen Verfehlungen in der Finanzkrise verurteilt wurden. Der Amerikaner Bernard Madoff, der einen Schaden von 50 Milliarden Dollar anrichtete, wurde 2009 zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt und gilt als Super-Verbrecher. Aber was ist zum Beispiel in Deutschland passiert? Der Einzige, gegen den eine Haftstrafe verhängt wurde, war Stefan Ortseifen, damals Chef der Mittelstandsbank IKB. Und der wurde nicht als Hasardeur an den Finanzmärkten verurteilt, sondern wegen Kursmanipulation. Ähnlich ist es beim früheren Hypo-Real-Estate-Chef Georg Funke. Gegen ihn wurde "nur" Anklage wegen unrichtiger Darstellung in der Konzernbilanz 2007 und der Halbjahresbilanz Mitte 2008 erhoben.

Dass die Banken ihre Risikogeschäfte mit mehr Eigenkapital unterlegen sollen, ist und war eine löbliche Absicht. Aber die Vorschriften des Regelwerks Basel III werden schrittweise eingeführt, und vollständig umgesetzt werden sie erst 2019 sein. Bis dahin sind es noch mehr als vier Jahre - in denen Banker zocken und Investments in Schattenbanken umschichten können, die sich der Finanzmarkt-Kontrolle entziehen. Seit Jahren wandert immer mehr Geld in Schattenbanken. In den USA sollte die sogenannte Volcker-Regel dazu führen, dass die Geldhäuser riskante Geschäfte nur auf eigene Rechnung machen dürfen und ihre Deals im Zweifel nicht mehr dem Steuerzahler vor die Füße fallen. Eine Konsequenz: Banken wie Credit Suisse und Goldman Sachs schlossen ihre Handelsabteilungen (auch die Deutsche Bank machte Teile davon zu) und beteiligten sich stattdessen unter anderem an Hedgefonds, die sich dem Zugriff der Kontrollbehörden entziehen. Dass die Investments in solche Schattenbanken weltweit mehr als 71 Billionen Euro betragen und damit ungefähr so viel wie das zusammengerechnete Bruttoinlandsprodukt aller Staaten, kann einem Angst machen.

Dispozinsen der Banken im Vergleich
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Foto: AP

Um Basel II, das Regelwerk für Eigenkapital, scherten sich die Amerikaner schon vor Jahren einen Teufel, bei Basel III könnte es ähnlich sein. Folge: Das System zersplittert, und die Finanzströme bewegen sich dorthin, wo die geringste Reglementierung droht. Der Versuch, die Boni-Flut vor allem bei den Investmentbankern und damit deren Risikobereitschaft einzudämmen, droht auch zu scheitern. Die Briten wollen nicht mitmachen und wehren sich vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Regeln der EU, die seit Jahresbeginn die Bonuszahlungen auf maximal das Zweifache des Grundgehalts begrenzt hat. Die EU wollte nur die Hälfte davon zulassen, aber die Lobbyisten der Branche haben schon erreicht, dass Aktionäre den Bonus verdoppeln können. So wird die EU-Regel zum Papiertiger.

(RP)
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