Ratingen Die Esprit-Zentrale zieht nach China
Ratingen · Das Hauptquartier des Unternehmens wird wohl endgültig in Hongkong konzentriert – das ist kein Zufall. In Ratingen herrscht Sorge um den Standort des Modeunternehmens. Viele Mitarbeiter wohnen in der Region.
Im Juli des vergangenen Jahres fuhr den Beschäftigten der Modekette Esprit der Schreck in die Glieder: Das Unternehmen kündigte an, dass 44 von 94 Niederlassungen in Deutschland geschlossen und 1200 Arbeitsplätze abgebaut werden sollten. Drei Monate nach dem Antrag auf ein Schutzschirmverfahren der nächste Nackenschlag für das Unternehmen, das derzeit eine seiner beiden operativen Hauptzentralen in Ratingen hat (die andere steht in Honkong).
Immerhin hat das Unternehmen Ende des vergangenen Jahres erstmals seit geraumer Zeit wieder schwarze Zahlen geschrieben. Trotzdem ist die Unruhe da, seitdem im Dezember verkündet worden ist, dass die Zentrale nach Hongkong ziehen soll. Die Sorge um den Standort Ratingen wächst damit. Die regionale Verbundenheit ist groß. Am Standort gibt es die Zentrale und das Outlet-Center, das mit starker Hilfe von Stadt und Politik hochgezogen und 2012 eröffnet wurde. Viele Mitarbeiter, die für Esprit tätig sind, wohnen auch in Ratingen.
Die Unruhe hat sich durch die rasanten Personalwechsel der jüngeren Vergangenheit noch verstärkt. Vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass der Chief Operating Officer Marc Andreas Tschirner seinen Posten mit sofortiger Wirkung verlassen habe. Dabei hatte Tschirner im Juli des vergangenen Jahres gerade erst seinen Job angetreten. Er werde sich anderen geschäftlichen Interessen widmen, hieß es damals in einer Mitteilung. des Konzerns, der ausdrücklich betonte, dass es „keine Unstimmigkeiten mit dem Verwaltungsrat“ gegeben habe.
Da hat so mancher in der Branche seine Zweifel – insbesondere, wenn die Amtszeit nach sechs Monaten schon wieder vorbei ist. Zumal Tschirners Abschied nicht der einzige im Management der Gruppe war. Denn erst Mitte Dezember hatte Esprit neben der Entscheidung, die Konzernzentrale komplett nach Hongkong im Süden der Volksrepublik China zu verlegen, auch die Abgänge des dänischen Vorstandsvorsitzenden Anders Kristiansen und des Finanzchefs Johannes Schmidt-Schultes zum 28. Februar dieses Jahres verkündet. Der neue Konzernchef heißt Mark Daley. Er soll mit Kristiansen bis zu dessen Ausstieg übergangsweise zusammenarbeiten. Daley ist gebürtiger Japaner; an seiner Seite arbeitet künftig die Wissenschaftlerin Yung Ting Wan als Vorständin für Produktentwicklung. Das heißt: Das Unternehmen hat zwei neue Management-Mitglieder aus dem asiatischen Raum; drei Europäer verlassen die Firma. Die stärkere Orientierung nach Asien ist somit nicht zu übersehen.
Die Pandemie hat vieles verschlimmert und Esprit wie andere aus der Modebranche in ein Insolvenzverfahren gezwungen. Die Krise in der Modebranche hatte Esprit schon lange vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie erreicht. Über Jahre hinweg wurde immer wieder der Rotstift angesetzt, wurden Niederlassungen geschlossen und Jobs gestrichen.
Und nicht wenige wiesen immer wieder auf die hausinternen Fehler des Unternehmens in der Vergangenheit hin. „Die Geschäftsführung von Esprit hat zwei Jahrzehnte lang verschlafen, sich im digitalen Zeitalter rechtzeitig so aufzustellen, dass die verschiedenen Vertriebskanäle miteinander gut verzahnt und abgestimmt werden und sich so gegenseitig verstärken“, sagte damals Orhan Akman, der für den Einzelhandel zuständige Bundesfachgruppenleiter bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.