Herbert Rische im Interview "Die Einnahmen der Rentenkasse sind gut"

Der Rentenkassen-Chef mahnt: Die Rentenversicherung kann nicht die Reparaturfunktion für die Gesellschaft übernehmen.

 Herbert Rische (1947 in Passau geboren) ist seit Oktober 2005 Präsident der Deutschen Rentenversicherung. Der Jurist ist unter anderem für pünktliche Zahlungen an 20 Millionen Rentner in Deutschland verantwortlich.

Herbert Rische (1947 in Passau geboren) ist seit Oktober 2005 Präsident der Deutschen Rentenversicherung. Der Jurist ist unter anderem für pünktliche Zahlungen an 20 Millionen Rentner in Deutschland verantwortlich.

Foto: Endermann

Ist die Gefahr von Altersarmut wirklich real?

Rische Bei den über 65-Jährigen liegt die Altersarmut zur Zeit bei zwei bis drei Prozent. Genau hinsehen müssen wir, in welchen Gruppen Altersarmut in Zukunft entstehen kann. Es geht hier vor allem um Erwerbsgeminderte, um Beschäftigte mit geringen Einkommen, um Langzeitarbeitslose und um Selbstständige, die nicht anderweitig etwa über Versorgungswerke abgesichert sind. Darüber diskutiert die Politik ja auch schon. Es liegen von verschiedenen Parteien sehr ähnliche Vorschläge auf dem Tisch. Ich rechne damit, dass Anfang der nächsten Legislaturperiode ein Konsens für ein Rentenkonzept gefunden wird, das gegen Altersarmut wirkt. Das ist aus meiner Sicht sehr wichtig.

Es gibt beispielsweise das Konzept der Lebensleistungsrente der Union und das der Solidarrente der SPD.

Sind diese Konzepte geeignet?

Rische Die Rentenversicherung kann nicht die Reparaturfunktion für eine Gesellschaft übernehmen, in der sich der Niedriglohnbereich immer weiter ausbreitet. Wenn der Niedriglohnsektor weiter wächst, sind lohnbezogene Sozialversicherungssysteme kaum noch funktionsfähig. Wir sollten Möglichkeiten schaffen, dass stärker gegengesteuert wird, wenn jemand wegen zu geringer Einzahlungen am Ende eines Arbeitslebens eine zu niedrige Rente herausbekommt.

Kann die Rentenversicherung das schultern?

Rische In erster Linie muss die Grundsicherung im Alter dafür sorgen, dass ältere Menschen mit einem zu geringen eigenen Einkommen eine gesicherte Existenz haben. Die beitragsfinanzierte Rentenversicherung ist für diese Frage erst der zweite Ansprechpartner. Zumal wenn dabei Finanzmittel aus der Rentenversicherung zur Verfügung gestellt würden, belastet man nur die Beitragszahler. Beamte, Abgeordnete, Selbstständige und Angestellte mit sehr hohen Einkommen würden hingegen nicht herangezogen.

Was kann die Rentenversicherung für eine Lebensleistungs- oder Solidarrente leisten?

Rische Das Problem kann nicht vollständig in der Rentenversicherung gelöst werden. Die Bedürftigkeitsprüfung ist nicht unser Geschäft. Wir können auch nicht regional differenzieren. Selbst wenn wir eine solche Rente umsetzen würden, müssten viele Betroffene auch immer noch zu anderen Ämtern gehen, um etwa Wohngeld zu beantragen. Ich kann mir vorstellen, dass die Rentenversicherung zum Beispiel die Auszahlung einer solchen Rente leisten könnte. Organisiert und finanziert werden muss es aber über die Grundsicherung.

Durch die Finanzmarktkrise ist das Umlage-System der Rentenversicherung als Alterssicherung wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Hat die Rentenversicherung ein eigenes Konzept, wie die Menschen zusätzlich fürs Alter vorsorgen können?

Rische Ich kann mir ein Modell vorstellen, nach dem die Menschen zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Rente, über freiwillige Zahlungen weitere Ansprüche bei der Rentenversicherung erwerben. Solche Zahlungen ließen sich auch mit einer betrieblichen Altersvorsorge oder anderen Altersvorsorgeprodukten kombinieren. Von Versicherten haben wir oft solche Nachfragen. Wir sollten hier die Türen öffnen.

Sollte es für ein solches freiwilliges Sparen in der Rente staatliche Zuschüsse geben wie beim Riestern?

Rische Die Entscheidung, über die gesetzliche Rente zusätzlich vorzusorgen, wäre leichter, wenn es dafür Zuschüsse gäbe.

Was müsste man einzahlen, um seine Rente um 200 Euro zu erhöhen?

Rische Das hängt von der konkreten Ausgestaltung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung ab.

Wären die Gesetzlichen attraktiver als die Privaten?

Rische Wir wären konkurrenzfähig auf dem Markt.

Aus der Regierungskoalition heißt es, der Beitragssatz zur Rentenversicherung könnte 2014 erneut auf dann 18,7 Prozent sinken. Eine berechtigte Hoffnung?

Rische Wir konnten im ersten Quartal dieses Jahres feststellen, dass die Einnahmen der Rentenversicherung gut sind. Wir wissen aber nicht, wie die nächsten Quartale laufen. Das können wir erst im Herbst beurteilen. Daher kann ich zur Zeit noch keine Prognose abgeben.

EVA QUADBECK FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(qua)
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