Trotz Ukraine-Krieg Deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal leicht gewachsen

Wiesbaden · Die deutsche Wirtschaft wächst im Frühjahr überraschend – allerdings nur minimal. Die Löcher im Staatshaushalt werden kleiner. Das Winterhalbjahr dürfte nach Einschätzung von Ökonomen aber hart werden

 Kräne auf Baustellen (Symbolfoto).

Kräne auf Baustellen (Symbolfoto).

Foto: dpa/Christian Charisius

Die Kassenlage des deutschen Staates hat sich trotz zusätzlicher Belastungen infolge des Ukraine-Krieges im ersten Halbjahr 2022 deutlich verbessert. Zugleich ist die Wirtschaft überraschend auch im Frühjahr gewachsen. Im ersten Halbjahr gab der Fiskus 13,0 Milliarden Euro mehr aus als er einnahm, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag anhand vorläufiger Berechnungen mitteilte. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung bei 0,7 Prozent. Im ersten Halbjahr 2021 hatte das Defizit bei 4,3 Prozent gelegen.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal leicht um 0,1 Prozent. In einer ersten Schätzung war die Wiesbadener Behörde noch von einer Stagnation der Wirtschaftsleistung ausgegangen. „Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich die deutsche Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen 2022 behauptet“, sagte Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes. Im ersten Quartal 2022 war die deutsche Wirtschaft um 0,8 Prozent gewachsen.

Nach Einschätzung von Ökonomen stehen der deutschen Wirtschaft angesichts der Gaskrise allerdings harte Monate bevor. Dem Ifo-Institut zufolge wird der private Konsum wegen der steigenden Verbraucherpreise im weiteren Jahresverlauf als Konjunkturmotor ausfallen. Die Deutsche Bundesbank hält eine sinkende Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr inzwischen für „deutlich wahrscheinlicher“. „Die hohe Unsicherheit über die Gasversorgung im kommenden Winter und die starken Preissteigerungen dürften die privaten Haushalte und Unternehmen deutlich belasten“, hieß es im jüngsten Monatsbericht der Notenbank.

Die Bundesbank geht davon aus, dass die Inflationsrate in Deutschland im Herbst „eine Größenordnung von zehn Prozent“ erreichen könnte. Preissprünge bei Energie infolge des Ukraine-Krieges und steigende Lebensmittelpreise heizen die Teuerung seit Monaten an.

In der Corona-Krise hatte der Staat die Wirtschaft mit Milliarden gestützt. Im ersten Pandemie-Jahr 2020 verbuchte Deutschland deswegen erstmals seit 2011 wieder ein Haushaltsdefizit. Auch im vergangenen Jahr gab der Fiskus mehr aus als er einnahm. Die letzten Corona-Wirtschaftshilfen liefen Ende Juni 2022 aus.

Die EU-Staaten hatten wegen der Corona-Krise erstmals die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts ausgesetzt, wonach das Haushaltsdefizit nicht über drei Prozent und die Gesamtverschuldung nicht über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen darf. 2023 soll der Pakt wieder greifen. Die EU-Kommission will im Herbst Reformvorschläge vorlegen.

Der Ukraine-Krieg verschärft Probleme, die der deutschen Wirtschaft schon zuvor zu schaffen machten. Energiepreissprünge und anhaltende Lieferengpässe belasten die Industrie. Zugleich reißt die höchste Inflation seit Jahrzehnten Löcher in die Kassen der Verbraucher. Die Bundesregierung versucht die wirtschaftlichen Folgen des Krieges für Verbraucher und Wirtschaft zu abzumildern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte unlängst ein drittes Entlastungspaket an.

Dank positiver Wirtschaftsnachrichten aus Deutschland und China hat der Dax am Donnerstag an seine Vortagesgewinne angeknüpft. Der deutsche Leitindex stieg zum Handelsauftakt um 0,90 Prozent auf 13 338,73 Punkte.

Der MDax der mittelgroßen Unternehmen stieg im frühen Handel um 0,93 Prozent auf 26 300,19 Zähler. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gewann 0,8 Prozent.

Börsianer verwiesen als Grund darauf, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal überraschend etwas gewachsen war. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent. In einer ersten Schätzung war das Statistische Bundesamt noch von einer Stagnation der Wirtschaftsleistung ausgegangen. Zudem kündigte China weitere Milliardenhilfen an, um die schwächelnde Wirtschaft des Landes zu stabilisieren.

Die Märkte warten derweil gespannt auf Eindrücke von der mehrtägigen US-Notenbank-Konferenz in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming, die am Donnerstag eröffnet wird. Im Zentrum steht eine Rede von Fed-Chef Jerome Powell, die am Freitag auf der Agenda steht.

(boot/dpa)
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