Analyse Deutsche Firmen setzen stärker auf Indien

Düsseldorf/Neu · Die prominente Besetzung der Wirtschaftsdelegation, die mit Angela Merkel nach Neu Delhi gereist ist, zeigt, wie groß das Interesse deutscher Firmen am indischen Markt ist. Oft stehen den Investitionen aber Korruption und die schlechte Infrastruktur im Weg.

Delhi Am Ende muss Angela Merkel mit dem Truppentransporter in Neu Delhi landen. Da reist die Bundeskanzlerin mit einer 20-köpfigen Wirtschaftsdelegation nach Indien, um für bessere Bedingungen deutscher Unternehmen in Asien und den Vorzug europäische Produkte zu werben, schon streikt mit der Regierungsmaschine ein ebensolches Produkt. Der A 340 durfte wegen technischer Probleme gar nicht erst starten, Merkel und Delegation (darunter auch Airbus-Chef Thomas Enders) kamen mit einer Ersatzmaschine in der Hauptstadt Indiens an.

Nach dem Empfang durch Premierminister Narendra Modi standen die dritten deutsch-indischen Regierungskonsultationen vor allem unter dem Zeichen engerer wirtschaftlicher Zusammenarbeit. So sollen deutsche Unternehmen in Indien schneller als bisher investieren können. Dafür soll ein Schnellverfahren eingeführt werden, indem eine neue Behörde Hemmschwellen für deutsch-indische Geschäfte abbauen soll. Der große Wurf blieb aber aus: Indien bekommt von Deutschland mehr als eine Milliarde Euro zinsverbilligter Kredite, für Klimaschutz wie für den Bau von Solardächern, und auch in der Bildung und Forschung wurden Kooperationen vereinbart. Dass derzeitige Projekte zukünftig aber zu lukrativen Aufträgen wachsen könnten, darauf deutet schon die Hochrangigkeit der mitgereisten Wirtschaftsdelegation hin. Die Chefs von Siemens, BASF, Airbus, Bombardier, Boehringer, Thyssen Krupp, der Deutschen Post, der Deutschen Bank und der Deutschen Messe nahmen an dem Gipfel teil.

"Deutschland ist wichtigster Handelspartner Indiens in Europa. Trotzdem sind die wirtschaftlichen Beziehungen derzeit noch relativ unbedeutend. Sie machen weniger als ein Prozent des deutschen Handelsvolumens aus", sagt Christian Dreger, Forschungsdirektor International Economics vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. "Es ist aber davon auszugehen, dass das Wirtschaftswachstum weiter anhalten wird. Die demografische Struktur der Gesellschaft spricht ebenfalls dafür", sagt Dreger. Knapp 30 Prozent der indischen Bevölkerung sind jünger als 15 Jahre. "Brasilien und Russland sind in die Rezession gerutscht, auch in China hat sich das Wachstum verlangsamt. Indien ist das letzte Schwellenland, das diesem Abwärtstrend entgegensteuert", sagt Philipp Hauber, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Prognosezentrum des Instituts für Weltwirtschaft (IFW) in Kiel und dort für Schwellenländer zuständig. Da Indien kaum Rohstoffe exportiert, haben sich die niedrigen Ölpreise positiv auf die Konjunktur ausgewirkt. "Dazu kommt eine historisch niedrige Inflation, die der Nationalbank neue Spielräume gibt", sagt Hauber.

Auch wenn Firmen wie der Elektronikhersteller Foxconn Produktionsstätten nach Indien verlagert hätten, sei das Land weit davon entfernt, China international den Rang abzulaufen, sagt Philipp Hauber. Daher gehe es eher um eine Ausdehnung, weniger um eine Verschiebung der Märkte. Die deutsche Automobilindustrie zeigt sich sehr interessiert, aber auch der Maschinenbau. Wie sehr ausländische Unternehmen langfristig vom Wachstum Indiens profitieren, hänge vor allem von den Rahmenbedingungen ab, die die Regierung schafft, sagt DIW-Experte Christian Dreger: "Für das Absatzpotenzial ist es wichtig, dass die Industrie angekurbelt wird." Eines der ambitioniertesten Projekte von Premierminister Narendra Modi, der als großer Hoffnungsträger gewählt wurde, bisher aber hinter den Erwartungen zurückblieb. Knapp 50 Prozent der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Dazu kommen Probleme bei der Korruptionsbekämpfung, der Infrastruktur, mit unübersichtlichen Zöllen und Steuern. So verfügt das Land über keine einheitliche Mehrwertsteuer. "Längst nicht jeder Inder hat einen Reisepass oder ein Konto", sagt Philipp Hauber. Auch große Ersparnisse sind selten: Mit 1083 Euro haben Inder laut einer Allianz-Studie im Vergleich von 53 Ländern das geringste Brutto-Geldvermögen pro Kopf. Im Weltbank-Ranking ist das Land zudem auf Rang 142 abgestiegen. Modis Ziel ist es dabei, Indien unter die Top 50 zu führen. "Das zeigt, wie weit der Weg noch ist", sagt Hauber.

(RP)
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