Frankfurt Deutsche Börse vor Übernahmekampf

Frankfurt · Nach der Ankündigung derFrankfurter, mit der Londoner Börse LSE fusionieren zu wollen, bahnt sich nun eine Gegenofferte des US-Anbieters ICE an. Wieder einmal wird die Bündnissuche des Dax-Konzerns torpediert.

Wenn die Deutsche Börse sich mit Übernahme- oder Fusionsplänen an die Öffentlichkeit wagt, kann man die Uhr danach stellen, wann es von irgendwoher ein Störfeuer gibt. Der aktuelle Versuch, sich mit der Börse London Stock Exchange (LSE) zusammenzuschließen, ist der neunte Anlauf in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten. Mehrmals war ein Bündnis mit der LSE angedacht, zweimal war die Pariser Börse Euronext das Zielobjekt (einmal vor und einmal nach deren Zusammengehen mit der New Yorker Börse), außerdem die Schweizer Börse SWX. Mal waren es Aufsichtsbehörden, die den Wunschpartnern einen Strich durch die Rechnung machten, mal Indiskretionen, die das streng geheime Fusionsvorhaben zu früh öffentlich werden ließen und die Pläne sabotierten.

Die schier unendliche Reihe könnte nun ihre Fortsetzung finden. Diesmal kommt das Störmanöver aus den Vereinigten Staaten. Der US-Börsenbetreiber ICE erwägt ein Gegenangebot für die LSE, aber Zahlen liegen noch nicht vor. ICE steht für International Exchange, ein Unternehmen aus Atlanta, das auf den elektronischen Handel mit Optionen und Futures sowie Emissionen spezialisiert ist. Die Gruppe, zu der auch die gemeinhin "Wall Street" genannte New York Stock Exchange gehört, ist auch Handelsplattform für die Ölsorte Brent. Ein milliardenschweres Unternehmen, alles andere als ein kleiner Fisch im großen Börsengewässer.

Andernfalls wäre der mögliche Versuch, die Londoner Börse zu schlucken, wohl auch allzu verwegen. Auf das mögliche Gegenangebot der Amerikaner hat die Deutsche Börse gestern offiziell mit Gelassenheit reagiert: Der Konzern habe die Ankündigung eines möglichen Angebotes der ICE für die LSE "zur Kenntnis genommen und wird eventuelle, weitere Entwicklungen intensiv beobachten", erklärte Deutschlands größter Börsenbetreiber. Die Gespräche mit der LSE würden unverändert fortgesetzt. Aus London kam eine gleichlautende Erklärung.

Die potenziellen Partner hatten in der vergangenen Woche angekündigt, sie strebten einen "Zusammenschluss unter Gleichen" an. Die Aktionäre beider Unternehmen sollten ihre Papiere in solche der neuen Gesellschaft tauschen können. An der wären dann die Eigentümer der Deutschen Börse mit 54,4 Prozent beteiligt, jene der LSE mit 45,6 Prozent.

Kämen sie tatsächlich zusammen, würde ein Unternehmen entstehen, das mehr als 26 Milliarden Euro wert wäre. Der Abstand zu den großen Konkurrenten in den USA und in Fernost würde deutlich schrumpfen. Das dürfte auch den Verantwortlichen der ICE nicht entgangen sein.

Einstweilen liegt jedoch noch kein Angebot auf dem Tisch - weder eines der ICE noch eines des Konkurrenten CME, der größten Terminbörse der Welt, über deren Einstieg in London ebenfalls spekuliert wird. Dem stehen zwei Argumente entgegen: Erstens könnten die LSE-Verantwortlichen sich gegen die Anbieter jenseits des Atlantiks aussprechen, weil die LSE in einem solchen Bündnis deutlich weniger Gewicht hätte als in der Allianz mit Frankfurt. Zweitens bleibt die Frage, wie die Aufsichtsbehörden der Europäischen Union dies bewerten würden - solange Großbritannien EU-Mitglied ist. Auch auf politische Unterstützung aus Berlin dürfen die Beteiligten vermutlich setzen.

Die Börse jedenfalls hat auf die Börsen reagiert. Die LSE-Aktie kletterte zwischenzeitlich um mehr als acht Prozent und schloss mit einem Plus von mehr als sieben Prozent. Das Papier der Deutschen Börse, dessen Kurs vorige Woche auf fast 82 Euro geklettert und dann wieder zurückgefallen war, gewann dagegen nur 0,7 Prozent auf 76,70 Euro.

(RP)
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