Frankfurt/M. Anshu Jain ist umstritten - wird aber noch mächtiger

Frankfurt/M. · Auf der Hauptversammlung übten Aktionäre stundenlang Kritik. Vorstand Rainer Neske verlässt wie erwartet die Bank.

Die Deutsche Bank will weitere Diskussionen über ihren beschlossenen Kurswechsel beenden. "Auch wenn manche über Phantomschmerzen zu verfügen scheinen: Richtungsdiskussionen gehören der Vergangenheit an", betonte Aufsichtsratschef Paul Achleitner gestern bei der Hauptversammlung. Der Vorstand habe sich nach reiflicher Überlegung und ausgiebiger Beratung mit wichtigen Anteilseignern auf die neue Strategie geeinigt. Ende April hatte der Vorstand beschlossen, große Teile der Postbank abzustoßen. Darüber hinaus will die Deutsche Bank bis zu 200 eigene Filialen schließen. Privatkunden-Chef Rainer Neske, der sich gegen diesen Kurs gestellt hatte, wird die Bank wie erwartet Ende Juni verlassen.

Die Spitze der Deutschen Bank hat ihren Kurs gestern vor den Eigentümern verteidigt. Das Management habe "eine klare Strategie", sagte Co-Chef Anshu Jain, der Englisch sprach, laut übersetztem Redetext und erklärte. "Wir sind davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind." Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen räumte ein: "Wir sind freilich noch nicht am Ziel, der Umbau geht weiter. Wir liefern Ihnen noch nicht die Renditen, die Sie erwarten und verdienen."

Das genau ist ein Punkt, den Aktionärsvertreter heftig kritisieren. Besonders kritisch sehen sie, dass Jains Rolle im Konzern nun sogar noch gestärkt wird, obwohl er als früherer Chef-Investmentbanker für zahlreiche Rechtsstreitigkeiten mit verantwortlich ist, die noch heute viel Geld kosten und wegen der Milliardenlasten mühsam erzielte Gewinne regelmäßig ausradieren. "Sind Sie das Problem dieser Bank, die Lösung oder beides?", fragte Markus Kienle von der Kleinaktionärsvereinigung SdK in der Frankfurter Festhalle vor rund 4000 Aktionären in Richtung Jain. Klaus Nieding von der Aktionärsbereinigung DSW schimpfte: "Wer den Bock zum Gärtner macht, darf sich nicht wundern, wenn er den Garten kahl frisst und die anderen Schafe es ihm gleich tun."

Und nun wird ausgerechnet Jain noch mächtiger. Damit Schwung in den Umbau kommt, werden nämlich einige Aufgaben neu verteilt, und dieser wird die Umsetzung der Neuaufstellung persönlich leiten. Fitschen dagegen, seit einigen Wochen vor dem Münchner Landgericht wegen des Verdachts auf Prozessbetrugs im Kirch-Zivilverfahren auf der Anklagebank, bekommt keine zusätzlichen Aufgaben, sondern gibt sogar welche ab. Neskes Aufgaben übernimmt der Rechts- und Compliance-Vorstand Christian Sewing. Er wird den sich abzeichnenden Jobabbau in der Sparte durchsetzen müssen.

Jain und Fitschen räumten ein, dass es länger dauere als geplant, die unzähligen Rechtsstreitigkeiten beizulegen. Der Sparkurs greife noch nicht, und die Entwicklung des Aktienkurses sei enttäuschend. Das sahen auch die Aktionäre so, die Fitschen und Jain nur mit je 61 Prozent entlasteten - üblich sind 90 Prozent und mehr. Es dürfte die letzte Warnung gewesen sein.

(dpa)
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