Lufthansa-Chef Carsten Spohr Der Überflieger

Düsseldorf/Frankfurt · Bald wird Lufthansa-Chef Carsten Spohr den Kauf großer Teile von Air Berlin verkünden - der Gipfel einer Erfolgstory.

Als Jugendlicher hatte der im Ruhrgebiet aufgewachsene Carsten Spohr eine große Leidenschaft: Das Rudern. Also ein Ziel mit voller Kraft ansteuern, alles geben, dafür auch viel trainieren - immerhin wurde er NRW-Landesmeister. "Leistung spielt eine große Rolle", sagt der Sohn eines erfolgreichen Baumanagers, "das haben mir meine Eltern vermittelt und vorgelebt."

Als Sieg des Carsten Spohr lässt sich auch die zu erwartende weitgehende Übernahme von Air Berlin durch Lufthansa interpretieren. Der 50-Jährige führt Lufthansa seit 2014, er hat seit Jahren davon gesprochen, dass Überkapazitäten weg müssen, jetzt wird exekutiert: Ende nächster Woche legen seine Unterhändler ein neues Angebot für wichtige Teile von Air Berlin vor, doch eigentlich steht fest, was passieren wird: Lufthansa erhält einen Großteil der Flotte, der wichtigste Rivale im Heimatmarkt verschwindet - Passagiere müssen mehr zahlen und Lufthansa verdient mehr.

Keiner hat dies besser begriffen als der Kapitalmarkt. Am Tag des Insolvenzantrages von Air Berlin am 15. August schoss der Aktienkurs von Lufthansa um sieben Prozent hoch, insgesamt erhöhte sich der Konzernwert seitdem um zwölf Prozent. "Der weitgehende Einstieg bei Air Berlin wäre auch für Spohr persönlich ein großer Erfolg ", sagt der Airline-Experte Gerald Wissel: "Er ist sehr durchsetzungsfähig."

Dabei geht der studierte Wirtschaftsingenieur keinem Konflikt aus dem Weg: Als er am Düsseldorfer Flughafen Anfang 2016 beim Neujahrsempfang sprach, wetterte er gegen zu hohe Gebühren, später kritisierte er den Antrag auf höhere Kapazitäten - die Flughafenleitung war geschockt. Seit der Frankfurter Flughafen den Billigflieger Ryanair zuließ, verlagert Lufthansa als quasi Rache gezielt Flüge nach München, wo der in Wanne-Eickel geborene Spohr selbst mit seiner Ehefrau und zwei kleinen Töchtern wohnt. Als die Airline mit den Piloten über deren Verträge stritt, ließ es Spohr bis zum Streik kommen. "Besser einige Tage keine Flüge, als irgendwann keine Lufthansa mehr", lautete sein Credo - und er setzte sich weitgehend durch.

Doch weil Spohr selber gelernter Pilot mit weiterhin gültiger Lizenz ist und seit dem Studium praktisch immer bei Lufthansa ist, hat er bei Mitarbeitern trotz aller Tarifauseinandersetzungen ein eher gutes Image. "Spohr ist geradeaus, er spricht klare Kante", sagt ein Aufsichtsrat, "davor haben viele Leute im Konzern Respekt."

Gleichzeitig ist er geschickter Taktierer. Der frühere Austauschschüler in San Francisco war drei Jahre Referent des Ex-Lufthansa-Chefs Jürgen Weber, kümmerte sich um die globale Partnergruppe Star Alliance und war dann hintereinander Chef von Lufthansa-Cargo und des Passagiergeschäftes von Lufthansa - eine bessere Vorbereitung für die Chefposition ist schwer denkbar.

Fast die ganze deutsche Politik unterstützt nun, dass Air Berlin weitgehend bei Lufthansa landet - Spohr hat dafür klug geworben. Den Großaktionär von Air Berlin, Etihad, trickste er aus: Zuerst bot er dem Konzern aus Abu Dhabi eine Partnerschaft an - als Vorstufe übernahm Lufthansa schon 2016 knapp 40 Jets von Air Berlin. Dann ließ sich Etihad überzeugen, den Spohr-Vertrauten Thomas Winkelmann zum Chef von Air Berlin zu machen.

Gleichzeitig zog Spohr die Daumenschrauben an: In Düsseldorf als wichtigstem Standort von Air Berlin erhöhte der Ableger Eurowings dieses Jahr die Kapazitäten um mehr als 50 Prozent - auch das erzwang die Insolvenz von Air Berlin.

Spohr, der auch Aufsichtsrat bei Thyssenkrupp ist, kann Reste von Air Berlin nun schuldenfrei übernehmen, möglicherweise werden schon bald weitere Langstreckenflüge von Air Berlin gestrichen.

Bei allen Erfolgen überschattet ein Ereignis die Jahre an der Spitze: Spohr war gerade ein Jahr erster Lufthanseat, als ein Co-Pilot 2015 die zum Konzern gehörende Germanwings 9525 in den Alpen zum Absturz brachte. 150 Menschen starben. Spohr reiste mehrfach zur Absturzstelle, er traf sich oft mit Angehörigen, es gab Streit um die Entschädigungen. Er selbst sagt: "Ich werde derjenige bleiben, der an dem Tag Lufthansa-Chef war, als sich die Tragödie ereignete. Das gehört nun zu meinem Leben. Aber was ist das schon im Vergleich zu dem Leid der Angehörigen?"

(RP)
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