Gericht weist auch Berufung zurück Bahnvorstand scheitert vorerst mit Verfügung gegen Streik

Update | Berlin/Frankfurt · Trotz neuen Angebots soll der Lokführerstreik bis Montagnacht dauern. Dabei zeigt sich, dass es in Wahrheit nicht ums Geld geht, sondern um die Profilierung der GDL. Die Bahn ging gegen das Urteil in Berufung – doch auch die weist das Gericht zurück.

 An vielen Bahnhöfen in Deutschland stehen die Signale auf Rot. Die GDL streikt wohl noch bis Montagnacht.

An vielen Bahnhöfen in Deutschland stehen die Signale auf Rot. Die GDL streikt wohl noch bis Montagnacht.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Während Millionen Bürger sich am Donnerstag über ausfallende Zugverbindungen und teils herbe Verspätungen ärgern mussten, entwickelt sich der Arbeitskampf bei der Bahn immer mehr auch zu einer juristischen und politischen Auseinandersetzung. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hielt an ihrem Streikaufruf bis inklusive Montagnacht fest, obwohl der Vorstand der Deutschen Bahn (DB) am Mittwochabend bis zu 600 Euro an Corona-Prämie sowie eine kürzere Laufzeit des Tarifvertrages von nur noch 36 Monaten angeboten hatte. Bei der Höhe der Lohnerhöhung von 3,2 Prozent sind sie sich sowieso weitgehend einig.

Umgekehrt versuchte der DB-Konzern, per Einstweiliger Verfügung den Arbeitskampf vom Frankfurter Arbeitsgericht verbieten zu lassen, weil es der GDL in Wahrheit nicht um einen besseren Tarifabschluss gehe, sondern darum, neue Mitglieder zu werben und politische Ziele durchzusetzen. Das Gericht lehnte den Antrag jedoch am Abend ab. Die Deutsche Bahn legte umgehend Berufung gegen die Entscheidung ein – und scheiterte damit am Freitag auch im zweiten Anlauf, den Arbeitskampf mit juristischen Mitteln zu unterbinden. Das Arbeitsgericht lehnte in zweiter Instanz die einstweilige Verfügung ab.

Die Parteien stritten dabei insbesondere um eine Klausel, mit der die GDL ihre Tarifverträge auch für Mitglieder durchsetzen will, die in Betrieben arbeiten, in denen eigentlich die Konkurrenzgewerkschaft EVG in der Mehrheit ist.

GDL-Chef Claus Weselsky hatte in einem Interview am Donnerstagvormittag gesagt, er lehne Verhandlungen mit der Bahn vorrangig ab, weil diese ihm eine Erweiterung der Gültigkeit seiner Tarifverträge auf praktisch die ganze Belegschaft der Bahn verwehren wolle, wogegen er bisher nur Verträge für das fahrende Personal abschließen konnte. „Diese Aussage könnte ein Gericht gegen die GDL werten“, sagt ein Arbeitsrechtler auf Anfrage: „Ein Streik zur indirekten Mitgliederwerbung ist eigentlich verboten.“ Aus Respekt vor dem Streikrecht als Grundrecht wären Gerichte aber eher zurückhaltend, in Arbeitskämpfe einzugreifen.

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Hintergrund des Streiks ist vorrangig das 2015 verabschiedete Tarifeinheitsgesetz, das die frühere Bundesarbeitsministerin Andreas Nahles (SPD) formuliert hatte. Es legt fest, dass in einem Unternehmen mit mehreren Gewerkschaften in den einzelnen Betrieben jeweils der Tarifvertrag der Gewerkschaft gilt, die dort mehr Mitglieder hat. Bei der Bahn hat dies dazu geführt, dass Tarife der GDL mit ihren rund 37.000 Mitgliedern eigentlich nur in wenigen Bahnbetrieben gelten, weil die EVG mit ihrer Mitgliederzahl von 190.000 deutlich mehr Bereiche dominiert.

Da der DB-Vorstand der GDL aber nun die allgemeine Zuständigkeit verwehrt, sieht sie sich bedroht: „Die Zielsetzung des Bahnvorstandes ist die Existenzvernichtung der GDL“, erklärte CDU-Mitglied Weselsky am Donnerstagmorgen in Leipzig. In einem Interview mit dem „Spiegel“ nannte er es verfassungswidrig, dass der Bahnvorstand darauf bestehe, das Tarifeinheitsgesetz anzuwenden, also die GDL-Tarife nicht überall anzuwenden: „Damit wird klar erkennbar, dass die DB einem Teil der GDL-Mitglieder ihre verfassungsgemäßen Rechte entziehen will.“ Es drohe eine Spaltung der Gewerkschaft mit Mitgliedern erster und zweiter Klasse. Er ergänzte, die GDL habe in den vergangenen Monaten rund 4000 Mitglieder geworben, aber von den rund am Donnerstag 3500 streikenden Mitarbeitern waren laut DB-Insidern nur rund 200 außerhalb des Zugbetriebes beschäftigt.

Die Berliner Politik ist über den Arbeitskampf alles andere als begeistert. „Der Ego-Trip von GDL-Chef Weselsky nervt gewaltig“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dessen Parteifreund Andreas Scheuer den Bahnstreit als Bundesverkehrsminister schon seit Wochen nicht abwenden konnte. Nun forderte Dobrindt, Weselsky solle unbedingt Verhandlungen beginnen, zumindest bisher ließ Wesels­ky sich nie durch politischen Druck beeinflussen.

Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag, forderte im Rundfunksender RBB, das Tarifeinheitsgesetz solle abgeschafft werden. Es habe sein Ziel verfehlt, für Tariffrieden zu sorgen, also müsse es weg. Die Politik solle den Vorstand der Bahn drängen, sich mit der GDL zu einigen. Sein Wort hat einiges Gewicht: Nach der Bundestagswahl könnte er neuer Bundesverkehrsminister werden.

„Der Streik muss endlich aufhören, er schadet dem Image des gesamten ÖPNV in Deutschland“, erklärte Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn in NRW. Er wies darauf hin, dass in NRW „trotz Streiks deutlich mehr Züge fahren, als viele Menschen erwarten“. Der Grund sei, dass private Bahnen wie Abellio sehr viele Routen bedienten. Zudem führen auch bei DB Regio rund 40 Prozent der Züge. Der VRR erklärte, er gehe davon aus, dass rund 70 Prozent der Züge fahren, beim VRS sind viele Regionalbahnen unterwegs.

(mit Material von AFP)
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