Berlin Der Chefbespaßer

Berlin · Unternehmen müssen sich etwas einfallen lassen, um die besten Leute zu locken und zu halten - denn der Wettbewerb um Fachkräfte nimmt zu. In einigen Firmen kümmern sich deswegen Angestellte nur um das Wohlergehen ihrer Kollegen.

 Dienstweg mit Spaßfaktor oder der etwas andere Weg zum Mittagessen: Nicht zu Fuß, sondern über eine Rutsche kommen die Google-Mitarbeiter in Zürich in die Kantine.

Dienstweg mit Spaßfaktor oder der etwas andere Weg zum Mittagessen: Nicht zu Fuß, sondern über eine Rutsche kommen die Google-Mitarbeiter in Zürich in die Kantine.

Foto: Google

Quer durch das Großraumbüro hat sich eine lange Schlange gebildet. Was da los ist, muss selbst die Pressesprecherin erstmal in Erfahrung bringen. Dann stellt sich raus: Es gibt Kapuzenpullover mit Zalando-Logo. Die Mitarbeiter sind begeistert. Gratis-Pullis, Konferenzräume, die wie Computer-Spiele "Zelda" oder "Final Fantasy" heißen und eine Art Konferenzraum mit Bar im neunten Stock, in dem auch mal Parties stattfinden - der Standort des Online-Händlers an der Berliner Mollstraße ist eine Mischung aus Büro und Studenten-WG.

Die Zufriedenheit der Mitarbeiter wird für Unternehmen immer wichtiger - nicht nur im Silicon Valley, wo zahlreiche Start-ups um die besten Köpfe buhlen, sondern auch in Gründerzentren wie Berlin. Ein hohes Gehalt ist ein möglicher Anreiz, ein angenehmes Arbeitsumfeld ein anderer. Kinderbetreuung, gesundes Essen, sportliche Aktivitäten: Viele Firmen arbeiten daran, ihre Beschäftigten zufriedener zu machen. Feelgood-Management nennt sich diese neue Strategie.

Denn ein zufriedener Mitarbeiter ist ein produktiverer Mitarbeiter. Das zeigt auch eine Studie des Beratungsunternehmens Gallup aus dem vergangenen Jahr. Demnach liegen die Fehlzeiten der Mitarbeiter deutlich niedriger, je höher die emotionale Bindung zum Unternehmen ist. Gleichzeitig fühlen sich unzufriedene Mitarbeiter häufiger ausgebrannt und gestresst. Das heißt im Umkehrschluss: Wer seine Mitarbeiter glücklich macht, macht auch das Unternehmen besser. "Dazu braucht es weit mehr als freies Müsli und Tischtennisplatten", sagt Frauke von Polier, die sich bei Zalando um das Thema kümmert.

Einige Firmen haben darauf reagiert - und sogar eine neue Position erschaffen: Den Chief Happiness Officer (CHO). Mit dem Bild vom Pausenclown hat das wenig zu tun. Vielmehr geht es um die systematische Verbesserung des Arbeitsumfelds.

Wenn Glück als wichtige Priorität in einem Unternehmen angesehen werde, sagte Wirtschaftsprofessor Martin Ihlig von der Wharton School der University of Pennsylvania zuletzt in der "Welt", könne die Verantwortung auf einen solchen Chief Happiness Officer delegiert werden - der Posten wäre dann direkt im Vorstand angesiedelt.

Einer der "Glücksvorstände" ist Alexander Kjerulf, Gründer des dänischen Beratungsunternehmens WooHoo. "Mein Job ist es, Menschen glücklich zu machen", sagt er. Der beste Weg, Kunden glücklich zu machen, sei es, glückliche Angestellte zu haben, weil die sich am besten kümmern, behauptet er. Arbeit darf sich dafür nicht wie Arbeit anfühlen. Seine Firma berät Konzerne wie Ikea, Microsoft oder IBM.

Wer dafür nicht direkt einen Vorstandsposten schaffen will, kann auch ein paar Ebenen weiter unten ansetzen. Immer mehr Startups und Betriebe schreiben dazu Stellen für so genannte Feel-good-Manager aus, die als Ansprechpartner für das Thema Unternehmenskultur dienen. Darauf setzen etwa der Suchmaschinen-Betreiber Google und der Musik-Streamingdienst Spotify.

Google ist Vorbild für viele Unternehmen. Das Unternehmen gilt als einer der beliebtesten Arbeitgeber weltweit. Chefbespaßer war hier viele Jahre Chade-Meng Tan. Bei Google war er Mitarbeiter Nummer 107, eingestellt als Software-Entwickler. Doch dann wuchs das Unternehmen und irgendwann wurde aus Chade-Meng Tan "Jolly Good Fellow" (dt. "ziemlich guter Kumpel"). "Ja, das ist mein offizieller Job-Titel", schreibt er auf seinem Blog. Tan sollte sich um den Personalaufbau in dem rasant wachsenden Konzern kümmern.

Heute gibt es bei Google Gratis-Essen, statt Treppen zu steigen, können Mitarbeiter die Rutsche nehmen. Und wer eine Auszeit braucht, geht ins hauseigene Fitness-Studio oder spielt Videospiele. Egal ob Feelgood-Manager oder CHO: Am Ende geht es darum, eine offene Firmenkultur zu schaffen, dafür zu sorgen, dass Mitarbeitern Perspektiven aufgezeigt werden und alle eine gemeinsame Vision haben. "Wir glauben, dass alle Mitarbeiter und Führungskräfte unsere Kultur tragen und gestalten", sagt Zalando-Personalerin von Polier. Am Ende zähle dabei der Beitrag jedes Einzelnen. Verordnen lässt sich Glück eben nicht.

(frin)
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