Buchkritik Vom Branchenprimus zur Bad Bank

Düsseldorf · Der Fernsehjournalist Dieter Laabs zeichnet minutiös den Abstieg der Deutschen Bank nach.

 Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt.

Die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt.

Foto: dpa/Arne Dedert

Selten fängt ein Buch, das Generalabrechnung mit einer Bank ist, mit einem Suizid an. Aber es ist auch nicht irgendeine Bank, über die Dirk Laabs schreibt. Es ist die Deutsche Bank, jenes Unternehmen, das einst Aushängeschild der deutschen Wirtschaft war, integraler Bestandteil der Deutschland AG, eine Bank von Weltruf. Heute ist sie an der Börse weniger wert als der Zahlungsdienstleister Wirecard. Und ohne dessen Bedeutung kleinreden zu wollen – der Vergleich sagt alles über den Abstieg einer Wirtschafts-Ikone. „Bad Bank“ nennt Laabs das Institut, und man kann diesen Begriff in der Worte doppelter Bedeutung interpretieren. Die Deutsche Bank, eine schlechte Bank, gleichzeitig mit so vielen Problemen und Risiken vollgestopft wie vor Jahren die Abwicklungsgesellschaften, die den Finanzkrisen-Müll von WestLB, Hypo Real Estate und Co. entsorgten. Ein gelungener Titel.

Den Absturz hat Laabs aufwendig und gut recherchiert, mit vielen Details, die selbst aufmerksame Beobachter der Finanzkrise vor zehn Jahren so nicht kennen dürften und die das Buch lesenswert machen. So auch der tragisch-spannende Einstieg, der das Erleben des Londoner Musikers Valentin Broeksmit aus dem Januar 2014 beschreibt. Der 37-Jährige wird von der Haushälterin nach Hause gerufen, wo sich sein Stiefvater William mit der Leine seines Hundes erhängt hat. Ein Freitod ist immer ein Drama, aber Broeksmits Selbstmord geschah offenbar aus Angst vor zahlreichen Behördenermittlungen gegen seinen alten Arbeitgeber. Auch diesen Ermittlungen verdankt die Nachwelt die Erkenntnis, dass die Deutsche Bank längst nicht immer der Fels in der Finanzkrisen-Brandung war, als den sie ihre Vordenker gern darstellten, sondern ein Unternehmen, das die Schrottpapiere genauso wie anderen im Portfolio hatte, aber immerhin clever genug war, sie rechtzeitig in der Finanzwelt wieder loszuwerden. Das mitunter zumindest moralisch fragwürdig handelte, womöglich auch kriminell. Und so wird das Drama um Broeks­mit zum Ausgangspunkt für den Abgesang auf die Deutsche Bank.

Natürlich muss man dieses Buch nicht lesen, um die Entzauberung eines Mythos mitzuerleben, nicht wegen der Enttarnung von Figuren wie Josef Ackermann und Anshu Jain, die sich entgegen der Heroisierung früherer Jahre (an der auch wir Journalisten mitwirkten) als Normalmenschen mit Fehlern und Schwächen entpuppten und ihren Anteil daran hatten, dass die Bank in eine lebensbedrohliche Krise stürzte. Das alles ist tausendfach geschehen. Aber Laabs beschreibt sehr präzise, wie die Ackermanns und Jains, selbst Investmentbanker, das Schicksal der Bank in die Hände der Regenmacher legten, lieber einen riskanten Deal mehr wagten, statt etwa in die IT der Bank zu investieren. Geführt von Managern, denen Laabs „Gier, mangelndes Unrechtsbewusstsein und eine Art Verachtung für den Kunden“ vorwirft. Beim Lesen wird der Weg das Ziel, weil man das Ziel kennt und sich doch immer wieder darüber wundert, wie es so weit kommen konnte.

 Laabs, Dieter: Bad Bank. Aufstieg und Fall der Deutschen Bank.2018, DVA, 560 S.,  28 Euro

Laabs, Dieter: Bad Bank. Aufstieg und Fall der Deutschen Bank.2018, DVA, 560 S., 28 Euro

Foto: DVA

Aber was Laabs ausklammert, ist die Zukunft der Bank. Das Werk ist Vergangenheitsbewältigung, aber es erspart sich den Blick auf eine Finanzwelt, in der Newcomer wie Wirecard den Arrivierten den Rang ablaufen, in der traditionelle Banken einen Selbstfindungsprozess durchlaufen und sich neu erfinden müssen, weil Tech-Riesen wie Apple und Google vieles von dem können, wofür man früher eine Bank brauchte. Die Branchen-Revolution, die rund um die „Bad Bank“ aus Frankfurt stattfindet, fehlt bei Laabs. Das schmälert das Lesevergnügen, zumindest ein bisschen.

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