Essen Deichmann – 100 Jahre Schuhgeschichte

Essen · Mit einem Schuhmacherladen in Essen-Borbeck begann 1913 die Geschichte von Europas größtem Schuhhändler. Der ist heute ein Milliardenimperium und genießt den Ruf eines Konzerns, der nach christlichen Grundsätzen geführt wird.

Die Mitglieder der US-Mädchen-Band "The Pussycat Dolls", der Extremsportler und Musiker Joey Kelly, das Topmodel Cindy Crawford und selbst Oscar-Preisträgerin Halle Berry – sie alle trugen Schuhe als Werbeträger für ein und denselben deutschen Konzern: die Deichmann-Gruppe. Und eine Gewinnerin der wichtigsten Auszeichnung im internationalen Filmgeschäft (2002 als Hauptdarstellerin im Drama "Monster's Ball") als Werbe-Ikone verpflichtet zu haben, darauf kann man sich durchaus was einbilden.

Europas größter Schuhhändler feiert dieser Tage seinen 100. Geburtstag. Wer an Deichmann denkt, denkt an preiswerte Schuhe, an das Logo mit dem weißen D auf grünem Grund und an ein Unternehmen, das den Ruf genießt, nach christlichen Grundsätzen geführt zu werden. Zu verdanken hat es dieses Image dem Mann, der es jahrzehntelang führte: Heinz-Horst Deichmann, 76 Jahre alt, Theologe, promovierter Mediziner, gläubiger Christ. Einer seiner Leitsätze: "Die Firma muss dem Menschen dienen." Oder: "Geld ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr."

Damit ist Deichmann in der deutschen Handelslandschaft eine Rarität. Der Sohn des früh verstorbenen Unternehmensgründers Heinrich Deichmann hat gezeigt, wie soziales Denken und Handeln mit unternehmerischem Erfolg Hand in Hand gehen können. Gelernt hat er das von seinem Vater. Deichmann senior, der Schuhmacher aus dem Arbeiterviertel Essen-Borbeck, versorgt in Kriegszeiten die Armen mit Schuhen; er unterstützt Kranke und hilft Juden in der Zeit des nationalsozialistischen Terrors. Die Wiege des Deichmann-Imperiums ist "Elektra", der kleine Schuhmacherladen an der Ecke.

Als Heinrich Deichmann 1940 stirbt, tobt in Europa der Krieg. Heinz-Horst, der einzige Sohn, wird eingezogen und schwer verwundet, aber er überlebt. Und führt Deichmann in die erfolgreiche Nachkriegs-Ära – zunächst sozusagen im Nebenberuf, weil er Theologie und Medizin studiert, ab 1956 endgültig als Unternehmenschef. Da ist Deichmann schon eine große Nummer. Im Nachkriegs-Deutschland haben preiswerte Schuhe Hochkonjunktur. Deichmann nutzt den Nachfrageschub; er baut die Gruppe aus und internationalisiert sie.

Heute ist der Konzern, seit 1999 unter der Führung von Heinz-Horst Deichmanns Sohn Heinrich Otto, ein Milliarden-Imperium. Mehr als vier Milliarden Euro Umsatz in 22 Ländern, über 150 Millionen verkaufte Paar Schuhe pro Jahr, fast 3200 Filialen, in denen mehr als 30 000 Mitarbeiter tätig sind. Vor einigen Jahren sicherte sich Deichmann die Rechte an zwei Traditionsmarken: Gallus und der Klever Elefanten-Schuh, in ihren guten Zeiten einer der größten Arbeitgeber in der Kreisstadt am unteren Niederrhein.

Deichmann ist kein Industriebetrieb. Das Unternehmen produziert nicht selbst, es kauft Schuhe ein und verkauft sie weiter. Da setzt öffentliche Kritik ein. Deichmann gilt als ethisches Unternehmen, das sich in unzähligen Hilfsprojekten engagiert, für das soziales Engagement zum unternehmerischen Credo geworden ist. Als in den vergangenen Jahren Meldungen auftauchten über indische Zulieferer, die toxische Abwässer in die Umwelt ließen, oder über kambodschanische Schuhproduzenten mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen, da war das Image in Gefahr. Um solchen Vorwürfen zu begegnen, führte Deichmann einen Verhaltenskodex nach Uno-Vorgaben ein. Ein Aspekt: Eigene Inspektoren kontrollieren die Produktion auf Einhaltung der gesundheitlichen Standards bei den Arbeitsbedingungen.

(RP)
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