Berufe in Deutschland Wie die Digitalisierung Frauen benachteiligt

Berlin · Neue Daten von Berufsforschern zeigen, dass die Gehaltsunterschiede gerade in technischen und hochqualifizierten Berufen besonders hoch geblieben sind. In typischen Frauenberufen dagegen fallen sie geringer aus.

 Die Digitalisierung hat die Aufstiegschancen von Frauen in der Berufswelt bislang nicht nennenswert verbessert. (Symbolfoto)

Die Digitalisierung hat die Aufstiegschancen von Frauen in der Berufswelt bislang nicht nennenswert verbessert. (Symbolfoto)

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitsprozesse verringert tendenziell die Chancen von Frauen, bei Gehältern und Berufskarrieren zu den Männern aufzuschließen. Das zeigen Daten zur Arbeitszeit-, Gehalts- und Branchenentwicklung des Statistischen Bundesamtes und des Institus für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit, die die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion ausgewertet hat. Sie liegt unserer Redaktion vor.

Demnach sind die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen gerade in hochqualifizierten und bereits stark digitalisierten Branchen wie der IT-Technik besonders stark ausgeprägt, während sie in weniger qualifizierten Branchen mit weniger Digitalisierung wie dem Handel und dem Gastgewerbe, in denen der Frauenanteil traditionell höher ist, deutlich geringer ausfallen. Zudem sind Frauen in den zehn vom IAB identifizierten Branchen mit den höchsten Wachstums- und Erwerbspotenzialen durch Digitalisierung unterrepräsentiert.

In zahlreichen Studien, zuletzt 2017 vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, hatten Forscher zunächst angenommen, die Digitalisierung werde Frauen eher helfen, bei Gehältern und Berufskarrieren zu Männern aufzuschließen. Als Gründe führten sie an, dass im digitalen Zeitalter soziale Fähigkeiten wie Teamarbeit, die Frauen besser beherrschten, stärker gefragt seien. Zudem kämen ihnen die flexibleren Arbeitszeiten entgegen, so dass sie Familie und Berufskarriere künftig besser miteinander vereinbaren könnten.

Diese Annahme hat sich bisher nicht bestätigt, wie die Regierungsantwort zeigt. "Erste Ergebnisse von Untersuchungen zeigen, dass selbstbestimmtere Arbeitszeiten von Männern tendenziell genutzt werden, um länger zu arbeiten und mehr zu verdienen", schreibt das Arbeitsministerium. "Frauen nutzen die Möglichkeit, ihre Arbeitsstunden aufzustocken weniger, was auf die vielen in Teilzeit arbeitenden Frauen zurückgeführt wird." In Vollzeit tätige Frauen würden ihre Arbeitszeit zwar ebenfalls ausweiten, "jedoch führe dies laut den Untersuchungen bei ihnen zu einem geringeren Verdienstzuwachs als bei den Männern".

Derzeit liegt die Gehaltslücke zwischen in Vollzeit beschäftigten Männern und Frauen in Deutschland bei 20 Prozent, so die Regierungsantwort. Die bisherige Digitalisierung hat die Lücke in den vergangenen Jahren nicht verkleinert. Gehaltsunterschiede in ausgewählten Branchen lassen sogar eher auf das Gegenteil schließen. So lagen die durchschnittlichen Tagesentgelte von Männern in bereits digitalisierten Branchen wie dem Verarbeitenden Gewerbe und der IT- und Kommunikationsbranche 2017 um 33 und um 38 Prozent über denen der Frauen. Sie haben hier seit 1998 zwar aufgeholt, denn damals hatten die Gehaltsunterschiede noch 48 und 41 Prozent betragen. Doch zeigt sich, dass die Männerentgelte in weniger digitalisierten Branchen wie dem Handel und dem Gastgewerbe 2017 nur noch um 31 und um 15 Prozent höher (zum Vergleich 1998: 42 und 25 Prozent) lagen, wie Daten des IAB zeigen. „Die Annahme, dass durch die Digitalisierung der Lohnabstand zwischen Männern und Frauen schneller abnimmt, lässt sich mit diesen Zahlen nicht bestätigen", sagte Linken-Politikerin Jessica Tatti. Vielmehr zeige sich, dass in hochqualifizierten Bereichen mit hohem Männeranteil und mehr Digitalisierung die Gehaltslücke weiterhin groß ausfalle, während sie in geringqualifizierten Bereichen mit mehr Frauen und weniger Digitalisierung verhältnismäßig gering sei.

Die künftige Entwicklung dürfte daran kaum etwas ändern: Das IAB und das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) nennen in einer noch unveröffentlichten Studie zehn Berufsfelder, die besonders von der Digitalisierung profitieren werden: Technische Forschung und Entwicklung, Klempnerei-Sanitär-Heizung-Klimatechnik, Informatik, IT-Systemanalyse und IT-Vertrieb, IT-Netzwerktechnik, Softwareentwicklung und Programmierung, Geschäfsführung und Vorstand, Unternehmensorganisation, Erziehung und Sozialarbeit sowie Werbung und Marketing. Auf den meisten dieser Felder wurden bereits in den letzten zehn Jahren überdurchschnittliche Gehaltszuwächse verzeichnet, wie aus der Antwort hervorgeht. Frauen allerdings sind bis auf die Sozialberufe in neun der zehn Berufsfelder deutlich unterrepräsentiert - sie profitieren daher bisher kaum von der Digitalisierung.

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