Erste Filialen müssen schließen Discount-Mode: Primark in der Krise

Düsseldorf · Der Umsatz des irischen Unternehmens schwächelt hierzulande dramatisch. Nachdem das Deutschland-Geschäft mit 240 Millionen Euro abgeschrieben worden ist, sollen nun Filialen schließen. Ursächlich sind wohl der schlechte Ruf und die fehlende Präsenz im Internet.

 Bei der Primark-Eröffnung im Jahr 2014 in Krefeld standen die Kunden schon Stunden vorher Schlange. Zuletzt aber brach die Nachfrage ein.

Bei der Primark-Eröffnung im Jahr 2014 in Krefeld standen die Kunden schon Stunden vorher Schlange. Zuletzt aber brach die Nachfrage ein.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Als Mitte der 2010er-Jahre die ersten Primark-Filialen in Deutschland eröffneten, entstand ein regelrechter Hype unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Kunden waren bereit, stundenlang Schlange zu stehen, um die braunen Papiertüten mit beispiellos günstiger Mode zu füllen. Wanderschuhe für 25 Euro, Jacken für 20 und T-Shirts für drei Euro — Primark war der Garant für günstige Mode, die im Zweifel nach dem ersten Tragen im Abfall landet.

So eroberte das irische Unternehmen die Innenstädte der Republik. Insgesamt 32 Filialen betreibt Primark heute in Deutschland, in NRW gibt es Geschäfte in Krefeld, Düsseldorf, Köln, Bonn, Essen, Gelsenkirchen, Dortmund, Münster und Bielefeld. Doch das Wachstum ist längst vorbei. Stattdessen drohen vielerorts Schließungen. Ende Oktober war im hessischen Weiterstadt Schluss, im April wird eine der vier Berliner Filialen für immer schließen. Der Grund: Die Umsätze auf dem deutschen Markt schwächeln.

In der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ erklärte ein früherer Mitarbeiter des Mutterkonzerns Associated British Foods (ABF), dass Primark den deutschen Markt überschätzt habe. Zu schnell habe man expandiert, die Geschäftsflächen seien zu groß. Die Umsatzzahlen offenbaren das Ausmaß der Misere: Im Jahr 2021 wurden nur noch 380 Millionen Euro erlöst, 2019 waren es noch 926 Millionen. Der Wert der Aktivitäten in Deutschland wurde daher für rund 240 Millionen Euro abgeschrieben. Im Jahresabschluss heißt es, dass Deutschland ein „für Einzelhändler ein zu hohen Kosten zu bedienender Markt“ sei. So scheint es naheliegend, dass in weiteren Filialen die Lichter ausgehen. Primark reagierte auf eine entsprechende Anfrage unserer Redaktion nicht.

Für Gerrit Heinemann, Wirtschaftswissenschaftler an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, sind die Gründe für die Krise offenkundig. „Primark glaubte, dass der Online-Handel für das Discount-Konzept nicht funktioniert. So haben sie wertvolle Zeit verloren. Nun versucht Primark fieberhaft, gegenzusteuern. Aber ich glaube nicht, dass sie das noch gestemmt bekommen. Der Online-Handel war der Gewinner der Corona-Krise. Wer da nicht online aktiv war, hat den Zugang zu Kunden verloren“, sagt Heinemann.

Unterdessen würde der chinesische Online-Händler Shein beweisen, wie man den deutschen Markt überzeugen kann. „Mit Blick auf Preise und Zielgruppe ist Shein im selben Bereich wie Primark unterwegs. Die Textilien von Shein treffen aber den Nerv der Zeit besser – und sie sind im Internet erhältlich“, sagt Heinemann. Er habe mit Blick auf die Millionen-Abschreibung den Eindruck, dass Primark den deutschen Markt bereits aufgegeben hat. Daher orientiert man sich nun gen Osteuropa. Shein setzt unterdessen auf eine noch jüngere Zielgruppe als Primark – die der Acht- bis 26-Jährigen.

Es scheint dennoch so, als hätten sich die Prioritäten der Kunden verändert. Laut einer repräsentativen Umfrage von Greenpeace ist das Thema Nachhaltigkeit bei der Kaufentscheidung 2022 erstmals wichtiger gewesen als der Preis. Zwei Drittel der Bevölkerung sind bereit, weniger neue Kleidung zu kaufen - und die überwiegende Mehrheit von 89 Prozent beabsichtigt, bereits gekaufte Kleidung länger zu tragen. Die Folge: Jeder Deutsche hat im Durchschnitt 87 Kleidungsstücke im Schrank, acht weniger als 2015.

Der Textil-Discounter versucht nun, mit mehr Auge für Nachhaltigkeit den Ruf aufzupolieren. Bis 2027 soll etwa die gesamte Baumwolle für Primark-Kleidung aus biologischem Anbau, Recycling oder einem Programm für nachhaltige Baumwolle bezogen werden. „In meinen Augen handelt es sich dabei um klassisches Greenwashing. Primark produziert – und das weiß jeder – zu schlechten Konditionen, und das auch noch intransparent. Dann sind solche Absichtserklärungen wenig überzeugend“, sagt Handelsexperte Heinemann.

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