Düsseldorf Das Geschäft mit der Nachhilfe

Düsseldorf · Jeder siebte Schüler nimmt Nachhilfe - vor allem bei Gymnasiasten ist dies verbreitet, hat die Bertelsmann-Stiftung herausgefunden. Eltern zahlen dafür insgesamt 900 Millionen Euro im Jahr. Für die Anbieter ist das ein großes Geschäft.

Düsseldorf: Das Geschäft mit der Nachhilfe
Foto: Weber

Obwohl die schulischen Förderangebote ausgebaut wurden, setzen viele Kinder und Eltern weiter auf private Hilfe. Jeder siebte Schüler im Alter von sechs bis 16 Jahren nimmt einer Elternbefragung zufolge Nachhilfeunterricht. Das sind bundesweit 1,2 Millionen Schüler, wie aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht.

Besonders verbreitet ist die Hilfe bei Gymnasiasten. Hier setzt fast jeder fünfte auf externe Unterstützung. In der Grundschule haben dagegen nur fünf Prozent der Kinder Nachhilfe. Besonders auffällig: Mehr als jeder Dritte nimmt die zusätzliche Förderung auch bei befriedigenden bis sehr guten Leistungen in Anspruch, so die Studienautoren. Hier zeige sich deutlich, dass es nicht mehr nur darum gehe, schulisches Scheitern abzuwenden, meint Studienautor Klaus Klemm. Vielen Eltern gehe es offenbar darum, mit besseren Noten den Übergang von der Grundschule auf das Gymnasium oder ein Abitur mit besserem Notendurchschnitt zu schaffen.

Der Philologenverband NRW rät den Eltern zu mehr Gelassenheit: "Nicht immer ist Nachhilfe nötig. Eltern sollten auf ihre Kinder nicht zu viel Druck ausüben", sagt Verbandschef Peter Silbernagel. Ein "gut" oder "befriedigend" sei schließlich auch eine gute Note.

Das sehen viele Eltern aber offenkundig anders, entsprechend brummt das Geschäft mit der Nachhilfe. Eltern geben pro Monat durchschnittlich 87 Euro für die außerschulischen Fördermaßnahmen aus, wie es in der Studie weiter heißt. 15 Prozent der Eltern zahlen demnach sogar mehr als 100 Euro, sechs Prozent sogar mehr als 150 Euro im Monat. Insgesamt investieren Eltern in Deutschland rund 879 Millionen Euro im Jahr in Nachhilfe.

Entsprechend können sich vor allem finanzstarke Eltern die Hilfe leisten. So stellte die Bertelsmann-Studie fest: Schüler aus finanzstarken Familien (ab 3.000 Euro Haushalts-Nettoeinkommen) nutzen Nachhilfeangebote etwas häufiger als Schüler aus Haushalten mit geringeren Einkommen (15 zu zwölf Prozent). Kinder und Jugendliche ohne Migrationshintergrund erhalten eher Nachhilfe als ihre Altersgenossen mit ausländischen Wurzeln (14 zu elf Prozent).

Nachhilfe ist ein lukratives Geschäft. Entsprechend groß ist die Zahl der Anbieter, die sich auf diesem Markt tummeln. Mehr als 4000 größere und kleinere Dienstleister sind am Markt. Zu den ganz großen Anbietern zählen etwa die "Schülerhilfe", die nach eigenen Angaben über 100.000 Schüler an 1100 Standorten betreut, und der "Studienkreis", der 1000 Standorte hat und seit 1974 eine Million Schüler gefördert hat. Daneben gibt es den internationalen Verbund Kumon, der sich auf Mathematik und Englisch konzentriert hat, andere Ketten sowie regionale Anbieter.

Die Preise sind unterschiedlich: Zwischen sechs und 15 Euro für 45 Minuten sind üblich. Stiftung Warentest rät, ins Kleingedruckte zu schauen. Manchmal verpflichten die Anbieter die Schüler, mehrmals in der Woche zu kommen oder auch die Ferien zu bezahlen, was das Ganze am Ende viel teurer macht, als es auf den ersten Blick aussieht. Zudem sollten Eltern Probestunden vereinbaren, um zu sehen, ob das Kind mit dem jeweiligen Konzept auch etwas anfangen kann oder es mit dem Nachhilfe-Lehrer harmoniert. "Seriöse Schulen bieten mindestens eine Probestunde gratis", so Warentest. Und nicht zuletzt sollte es übersichtliche Kündigungsfristen geben, so dass man im Zweifel aus dem Vertrag auch wieder heraus kann.

Auch Verbandsexperte Silbernagel rät zu Probestunden. Zudem müsse teuer nicht automatisch gut sein. Oberstufen-Schüler könnten auch gute Helfer sein, zumal sie nah am Schulgeschehen sind.

Daneben sieht er in der Studie auch eine bildungspolitische Dimension. "1,2 Millionen Nachhilfe-Schüler sind ein Weckruf für das öffentliche Schulsystem", sagt der Philologenverbands-Chef. Abgesehen von Fällen, in denen Kinder etwa wegen längerer Krankheit oder wegen eines Umzugs zeitweilig außerschulische Förderung benötigen, sollte diese eigentlich nicht nötig sein. Dies zeige, dass Schulen zu wenig Lehrer hätten, um die vom Land geforderte individuelle Förderung auch umsetzen zu können.

Auch die Bertelsmann-Stiftung ist besorgt. Nachhilfe dürfe kein Ersatz für individuelle Förderung im Schulunterricht sein, sagt Stiftungsvorstand Jörg Dräger. "Bildungschancen dürfen nicht von privat finanzierter Nachhilfe abhängen", mahnte Dräger. Insbesondere Ganztagsschulen zeigten sich als geeigneter Ort, wo schon jetzt zusätzliche individuelle Förderung Platz fände.

(anh)
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