Israel Das gelobte Land

Köln · Investoren, Unternehmer und Gründer schwärmen von Israels Digitalszene. Was ist so toll an den Gründern dort?

Wenn Tim Höttges über die israelische Startup-Szene spricht, gerät er ins Schwärmen: "Das israelische Valley ist nicht nur Software. Die Unternehmen sind noch viel kreativer in der Entwicklung von Geschäftsmodellen", sagte der Telekom-Chef kürzlich in einem Interview. Statt der x-ten App suchten die Gründer dort nach technischen Innovationen, die weltweit einzigartig seien. Die Szene dort sei sogar spannender als die im Silicon Valley.

Höttges steht mit dieser Meinung nicht allein da. Erst kürzlich gab VW eine Partnerschaft mit dem Jerusalemer Startup Mobileye bekannt. Dessen Kameratechnik soll selbstfahrende Autos sicherer machen und deren Entwicklung vorantreiben.

Immer mehr Konzerne schicken Teams in den Nahen Osten, um nach "dem nächsten großen Ding" Ausschau zu halten und Kooperationen zu knüpfen. Die Telekom investiert bereits Millionen in Israel, die Deutsche Post hat laut "Manager Magazin" im September ein Team hingeschickt, um sich die Szene anzuschauen.

Doch wie kam es zu Israels Startup-Boom? Für Schimon Peres liegt die Antwort in der Geschichte des Landes. Als David Ben Gurion vor knapp 70 Jahren den Staat Israel ausrief, wollte er eine Heimstätte für die Juden aus aller Welt schaffen. Und das in einem Land, das zwar geschichtsträchtig ist, jedoch keine nennenswerten Rohstoffvorkommen besitzt - selbst Wasser ist knapp. "Das einzige Kapital, das wir besaßen, waren die Menschen", schreibt Ex-Präsident Peres im Vorwort für das Buch "Start-up Nation".

Die Israelis setzten zunächst auf landwirtschaftliche Produkte, später auf Hochtechnologie. Eine wichtige Rolle spielte dabei das Militär. Aufgrund der Dauerkonflikte in der Region gilt in Israel die Wehrpflicht, während der junge Männer und Frauen zu Soldaten ausgebildet werden - teilweise zu Cyber-Soldaten. Die Militärs suchen frühzeitig nach den besten Programmierern, unter anderem für ihre legendäre Elite-Einheit "8200". Tech-Köpfe, die es dorthin schaffen, werden spätestens nach der Ausbildung auch von Wagniskapitalgebern umworben. "Die kreativen Lösungen für unsere Sicherheitsprobleme legten den Grundstein für zivile Industrien", schreibt Peres: "Die Entwicklungen in der Militärtechnik dienen oft einem doppelten Zweck." Die Armee als Technologie-Inkubator.

In der Tat ist Cyber-Sicherheit ein wichtiges Geschäftsfeld israelischer Startups. Nach Angaben der Marktforschungsfirma IVC gab es im vergangenen Jahr 224 Cyber-Security-Firmen in Israel. Viele von ihnen sind jünger als fünf Jahre.

Geholfen hat dabei auch die Migration von Juden aus aller Welt - allen voran aus der ehemaligen Sowjetunion. Rund eine Million Menschen sind im vergangenen Jahrhundert aus Russland eingewandert, darunter viele technisch geschulte Experten - ein weiterer Grund für Israels Aufstieg zum digitalen Vorreiter.

Doch warum sind die Israelis auch weltweit derart erfolgreich? Telekom-Chef Höttges: "Wenn die Amerikaner eine große Idee haben, beschäftigen sie sich als nächstes mit der Kommerzialisierung in ihrem Heimatmarkt", sagte er im Interview mit der "Zeit". "Die Israelis haben aber keinen Markt von 320 Millionen Menschen vor der Haustür. Also nehmen sie ihr Produkt, verkaufen es in der Welt und entwickeln das nächste. Dadurch entsteht eine viel größere Dynamik."

Viele US-Firmen pflegen daher schon lange intensive Kontakte nach Israel. Längst versuchen auch deutsche Unternehmen und Institutionen, vom Wissen in Nahost zu profitieren. Im Oktober gab das Fraunhofer-Institut bekannt, eine eigene Zweigstelle für Cybersicherheit in Kooperation mit einer Hochschule in Jerusalem eröffnen zu wollen. Und die Stadt Köln kündigte jüngst eine Kooperation mit dem israelischen Innovationszentrum Sosa an. Die Startup-Szene am Rhein soll vom Wissen aus dem gelobten Land profitieren. Man wolle die seit Jahren bestehende Städtepartnerschaft nun auch in die digitale Welt übertragen.

(frin)
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