Klaus-Peter Siegloch "Das Fluglärm-Problem wird überschätzt"

Der Luftfahrt-Präsident erwartet mehr Frachtflüge für Nordrhein-Westfalen. Die Zahl der Fluglärm-Geschädigten habe sich aber halbiert.

Was erwarten Sie vom neuen Bundesverkehrsminister?

Siegloch Alexander Dobrindt muss die Herausforderungen für unsere Branche wahrnehmen und die Probleme entschlossen anpacken. Zum Beispiel die Luftverkehrssteuer, die nur in Deutschland das Fliegen verteuert. Sie zeigt wie in einem Brennglas, was passiert, wenn die Politik einen Alleingang macht. Luftfahrt ist ein internationales Geschäft. Wenn das national geregelt wird, hat das sofort Auswirkungen auf den Wettbewerb. Die Passagiere weichen auf grenznahe Flughäfen und Drehkreuze im Ausland aus. Das ist ein ganz normales Verhalten im Zeitalter des Internet-Preisvergleichs. Wir sind im Hinblick auf Alexander Dobrindt guter Hoffnung. Die CSU hat bei diesen Themen immer ein offenes Ohr gehabt.

Sie haben bei der Forschungsgruppe Wahlen eine Umfrage zur Luftfahrt in Auftrag gegeben. Was ist das überraschendste Ergebnis?

Siegloch Das Fluglärm-Problem wird eindeutig überschätzt. Erstaunt hat mich die Diskrepanz zwischen den Menschen, die sich durch Fluglärm beeinträchtigt fühlen, und der allgemein vermuteten Belastung. Nur drei Prozent der Bundesbürger sagt: Wir werden durch Fluglärm stark oder sehr stark gestört. Die Zahl derer, die sich von Fluglärm belästigt fühlen, hat sich in den vergangenen zwölf Jahren mehr als halbiert. Rund 60 Prozent der Bevölkerung glauben aber, dass mindestens jeder zehnte Deutsche unter Fluglärm leidet. 28 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass jeder dritte Deutsche unter Fluglärm leidet.

Wie erklären Sie diese Diskrepanz?

Siegloch Ich glaube, dass das mit der Berichterstattung in den Medien zu tun hat. Aber wir wollen das Thema nicht kleinreden. Natürlich ist Fluglärm für die Betroffenen ein großes Problem. Es gibt nur viel weniger Betroffene als angenommen.

Was tut die Branche gegen den Lärm?

Siegloch Die deutsche Luftfahrt investiert in den nächsten Jahren 37 Milliarden Euro in neue Flugzeuge. Jede neue Flugzeuggeneration ist deutlich leiser. Zusätzlich werden die deutschen Flughäfen 400 bis 600 Millionen Euro in den passiven Schallschutz investieren.

Die Luftfahrt steht unter Druck. Leidet der Lärmschutz darunter?

Siegloch Nein. Die Fluggesellschaften haben ein natürliches Interesse daran, kostengünstig und damit energiesparend und leise zu fliegen. Schon deshalb investieren sie in neues Fluggerät. Außerdem sind wir an guter Nachbarschaft mit den Flughafen-Anwohnern interessiert. Aber der Druck wird größer. Das ist Marktwirtschaft. Die Fluggesellschaften wollen keine staatlichen Zuschüsse. Aber wir möchten von der Politik auch nicht mit unnötigen Zusatzbelastungen daran gehindert werden, in umweltschonende und leise Flugzeuge zu investieren.

Sind Nachtflugverbote nicht der wirksamste Lärmschutz?

Siegloch Wir wollen nicht überall Nachtflüge, aber an einigen Flughäfen brauchen wir sie. Zum Beispiel in Köln. Das ist der drittgrößte deutsche Frachtflughafen. Die Umläufe im Frachtgeschäft funktionieren ohne Nachtflüge nicht. Auch in den Tagesrandzeiten zählt jede Minute. Würden die Nachtflugverbote in Deutschland noch weiter ausgedehnt, würden wir damit vom internationalen Wettbewerb abgekoppelt, denn an den großen europäischen Flughäfen gibt es Nachtflugmöglichkeiten.

Hat Deutschland zu viele Flughäfen?

Siegloch Ein Flughafen muss sein laufendes Geschäft selbst finanzieren können. Gerade kleine Flughäfen können manchmal nicht ohne Starthilfen gebaut werden. Allerdings muss dann auch Schluss mit den Zuschüssen sein.

Wird die deutsche Luftfahrt durch die Nahost-Carrier bedroht?

Siegloch Arabische Fluggesellschaften werden mit großem staatlichen Wohlwollen gefördert. Dort gibt es keine Streiks oder Nachtflugverbote – aber niedrigere Flughafengebühren, weil auch die Flughäfen dem Staat gehören. Auch in Istanbul entsteht gerade ein neuer staatlicher Großflughafen für 150 Millionen Passagiere, der ab 2020 ohne Nachtflugverbot in den Wettbewerb geht.

Wird Fliegen teurer?

Siegloch Der Konkurrenzkampf ist so hoch, dass man auch in Zukunft viele preiswerte Tickets finden wird.

NRW will Logistik-Drehscheibe für Europa werden. Welche Rolle spielt dabei die Luftfahrt?

Siegloch Eine sehr zentrale. Köln-Bonn ist heute schon ein europaweit bedeutendes Frachtzentrum. NRW hat eine günstige geografische Lage. Die großen Autobahnströme kreuzen alle NRW. Der Fracht-Flugverkehr wird in NRW deutlich steigen. Im Personenluftverkehr haben wir eine gewisse Stagnation bei den Starts und Landungen. Das hängt auch damit zusammen, dass die Flugzeuge größer werden und ihre Kapazitäten besser genutzt werden.

THOMAS REISENER FÜHRTE DAS GESPRÄCH. DIE LANGFASSUNG UNTER WWW.RP-ONLINE.DE/PANORAMA

(RP)
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