Konjunktur Dämpfer bei Exporten – droht Stagflation?

Frankfurt · Auch die deutsche Exportwirtschaft hat Rückgänge hinnehmen müssen. Im Vergleich zum Vormonat sanken die Ausfuhren im August. Damit sind die Lieferkettenprobleme auch hier angekommen

Containerhafen in Hamburg

Containerhafen in Hamburg

Foto: dpa/Markus Scholz

Der Engpass und die Preissteigerungen bei Rohstoffen und Vorprodukten haben nun auch die Exportwirtschaft erreicht. Erstmals seit Mai 2020 lieferten die deutschen Firmen weniger Waren aus als im Vormonat; im August lag der Rückgang kalender- und währungsbereinigt bei 1,2 Prozent. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden hat in seiner Mitteilung aber auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Verkäufe ins Ausland damit noch immer höher liegen als vor der Krise im Februar 2020. „Dies ist angesichts des nach wie vor schwierigen Umfelds besonders bemerkenswert“, unterstrich auch der neue Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura.

Die derzeitigen Probleme lassen sich entlang einer Lieferkette aufzählen: Es mangelt an Containern in der internationalen Logistik auf den Weltmeeren; die starke Nachfrage in der Corona-Erholung trifft auf in der Krise verkleinerte Produktionskapazitäten; in wichtigen Fabrikationsländern wie Vietnam stehen Bänder in den Fabriken ganz oder teilweise still, weil man mit einer Pandemie-Welle kämpft. Nach Auffassung von Martin Lück, dem Chefvolkswirt im deutschsprachigen Raum beim weltweit größten Vermögensverwalters Blackrock, sind es aber nicht nur die untrebrochenen Lieferketten, die den Wirtschaftsmotor stottern lassen. „Seit einem halben Jahr haben wir ein langsameres Wachstum in China gesehen. Zuletzt haben wir auch schwächere Signale gesehen aus den Vereinigten Staaten. Und in Europa brummt die Konjunktur auch noch nicht so richtig“

Die deutschen Maschinenbauer dagegen haben in dieser Woche berichtet, dass ihre Exporte im Juli um rund zehn Prozent gestiegen sind – aktuellere Daten lagen nicht vor. Allerdings wäre auch im Maschinen- und Anlagenbau mehr drin gewesen. „Das ist im Prinzip ein gutes Ergebnis. Und ich sage im Prinzip, weil wir hätten durchaus mehr exportieren können, wenn wir nicht überall so starke Engpässe gehabt hätten. Das hat uns natürlich Sand ins Getriebe gebracht“, sagt der VDMA-Konjunkturexperte Olaf Wortmann.

Was mit den Nachschubschwierigkeiten einher geht, sind steigende Preise auf breiter Front. Im September ist die Inflationsrate nach ersten Schätzungen der Statistiker in Wiesbaden auf mehr als vier Prozent geklettert. Und nach Ansicht der meisten Ökonomen ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht – zumindest bis Jahresende dürfte die Inflation auf hohem Niveau bleiben und vermutlich sogar noch steigen. Treiber sind vor allem auch gestiegene Energiekosten. „Ein toxisches Gebräu, das schon leicht nach Stagflation riecht", sagte auch Ökonom Jens-Oliver Niklasch von der Landesbank Baden-Württemberg. Stagflation ist ein in den 70er Jahren während des Ölpreisschocks geprägter Begriff. Er bezeichnet wirtschaftliche Stagnation bei gleichzeitig hoher Geldentwertung, also hoher Inflation.

Immerhin aber stehen diesen doch eher düsteren wirtschaftlichen Perspektiven nach wie vor volle Auftragsbücher der Unternehmen gegenüber – trotz des Rückganges der Aufträge in der Industrie im August. So meldet auch das Ifo-Institut nach jüngsten Umfragen, dass die Produktionserwartungen der deutschen Industrie im September gestiegen sind. „Die weiterhin guten Produktionsaussichten lassen sich auch auf Nachholeffekte wegen der Corona-Pandemie zurückführen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen.

Das sieht auch der Chefvolkswirt der ING, Carsten Breski, so. „Irgendwann wird der hohe Auftragsbestand abgebaut werden müssen und sollte zu einem erneuten Anstieg der Industrietätigkeit führen“, prognostiziert er. Allerdings schränkt er mit Blick auf die jüngsten Dämpfer ein: „Derzeit sieht es so aus, als würde dieser Zeitpunkt eher später als früher kommen".

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