Betroffene Reisende berichten „Viele New Yorker gehen in den Central Park, weil alles zumacht"

Düsseldorf · Die Ausbreitung des Coronavirus und ihre Folgen hat massive Auswirkungen sowohl auf die Tourismusbranche im Ganzen als auch auf einzelne Touristen, die im Moment weltweit im Urlaub sind. Wir haben die Eindrücke und Erlebnisse drei Betroffener protokolliert.

 Reisende mit Koffern an einem Fährhafen (Symbolbild).

Reisende mit Koffern an einem Fährhafen (Symbolbild).

Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Die Ausbreitung des Coronavirus und die Folgen machen der deutschen Wirtschaft schwer zu schaffen. Am schlimmsten ist die Lage laut einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts bei den Reiseveranstaltern, Reisebüros und im Gastgewerbe. Doch auch einzelne Touristen sind von den Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus stark betroffen. Wir haben die Eindrücke und Erlebnisse dreier betroffener Menschen protokolliert.

Karl Schäfer, Kreuzfahrttourist

„Eigentlich sollte unsere Reise vom 2. bis zum 27. März dauern, doch sie ist durch den Corona-Ausbruch gänzlich anders verlaufen als geplant. Mit dem Flugzeug waren wir von Düsseldorf nach Mauritius geflogen, dort auf das Kreuzfahrtschiff AIDA-blu gestiegen und weiter nach La Reunion gefahren. Es sollten drei Tage auf den Seychellen folgen, doch unser Aufenthalt wurde nach zwei Tagen unterbrochen. Wir mussten den Hafen wegen Corona verlassen. Dann sollte zunächst Salala (im Süden Omans) angelaufen werden, der Hafen war aber schon gesperrt. Dann sollte es Muskat (Hauptstadt des Oman) sein, das ging aber auch nicht, und nach Rücksprache mit Regierungsvertretern sollte dann Dubai angelaufen werden. Da waren wir nun und hingen fest. Keiner war zuständig. Vom Oman aus sollten eigentlich Jordanien, der Suezkanal, Haifa, Limassol und Heraklion angelaufen werden - die hatten aber alle die Häfen gesperrt.

AIDAblu hat uns Gäste in Dubai ausgeschifft mit dem Versprechen, Flüge seien gebucht worden. Davon wusste aber niemand etwas und AIDAblu fühlte sich nicht mehr zuständig.

Und dann, nach einigem hin und her und sieben Stunden kam die Krönung: Alle gehen zurück aufs Schiff!“

Ergül Altinova, Geschäftsführer eines Golfreisenveranstalters

„Die Situation ist katastrophal, sie übertrifft alle Krisen, die ich in unserer Branche bisher erlebt habe. Ich mache diesen Job jetzt im 15. Jahr, habe 30 Angestellte und war vorher Golf-Profi. Wir gehören zu den größten Veranstaltern von Golfreisen im deutschsprachigen Raum und so etwas habe ich noch nie erlebt. Seit der Coronakrise, der Ausbreitung dieses neuen Virus und den Maßnahmen, die dagegen ergriffen werden, herrscht bei uns Ausnahmezustand.

Ganz konkret geht es beispielsweise um eine Gruppe von 30 Golfern aus Düsseldorf und Umgebung, die wir aus Griechenland zurück nach Deutschland befördern müssen.Vor wenigen Tagen erst war die Gruppe von Düsseldorf aus nach Kalamata in ein griechisches Golfressort angereist. Dann hat Griechenland entschieden, alle Sportanlagen - und dazu gehören auch die Golfplätze - bis Ende April sperren zu lassen. Auch das Hotel, in dem unsere Kunden bleiben, soll geschlossen werden. Natürlich sind jetzt wir als Reiseveranstalter in der Beförderungspflicht und müssen die Menschen zurückfliegen. Zum Glück haben wir recht schnell eine Lösung gefunden, die Truppe fliegt am Dienstag über Athen zurück nach Düsseldorf. Insgesamt haben wir aber derzeit rund 250 Kunden im Ausland, um deren Rückreise wir uns aktuell kümmern.

Problematischer ist es bei denen, die in Spanien und Marokko sind - es gibt schlicht zu wenig Flieger, die noch zwischen Deutschland und Spanien und Marokko verkehren. Wir haben einfach ein Problem mit den Kapazitäten. Wenn kaum mehr jemand fliegt, wollen die Airlines natürlich auch keine fast leeren Maschinen starten.

Grundsätzlich kann ich die Maßnahmen verstehen und finde das auch richtig, aber manche Entscheidungen sind irrational und führen zu einer unglücklichen Kettenreaktion. Ich halte nichts davon, von heute auf morgen alles dicht zu machen und die Menschen so abrupt vor vollendete Tatsachen zu stellen - so wie es jetzt in Griechenland geschehen ist. Die Tourismusbetriebe in der Türkei haben sich entschieden, die für Urlauber elementare Infrastruktur bis zum 20. März aufrechtzuerhalten, damit die Menschen Zeit haben, zu reagieren und geregelt in ihre Heimatländer zurückzukehren. Das ist eine vernünftige Regelung.“

Sabrina Wieser, lebt in New York und arbeitet für die Tourismus-Plattform „Loving New York“

„Ich bin gebürtige Bielefelderin und lebe jetzt mittlerweile seit sechs Jahren in New York. Wir sind im Moment wirklich verängstigt, so geht es eigentlich allen, die im Tourismusbereich arbeiten. Für uns war das Thema Coronavirus und seine Auswirkungen auf den Alltag der Menschen lange Zeit nicht so präsent wie in Europa. Wirklich los ging es, als Donald Trump die Einreisesperre verkündet hat: Da war mir klar, dass sich das extrem auf diese Stadt auswirken würde. Denn ein Großteil unserer Touristen kommt natürlich aus Europa. Ich kann es verstehen, dass der Präsident diese Maßnahmen ergriffen hat, und ich finde das auch gut. Aber trotzdem ist es beängstigend. Und spätestens seit auch keiner mehr aus Großbritannien einreisen darf, merkt man das dem Leben und dem Stadtbild hier einfach an.

Es wird leerer von Tag zu Tag. Restaurants schließen oder lassen keine Gäste mehr rein, weil sie nur noch Essen liefern. Bars, Clubs und Fitnessstudios haben geschlossen, der Halbmarathon wurde abgesagt, Sehenswürdigkeiten haben geschlossen, die New Yorker U-Bahnen, die sonst zur Rushhour rappelvoll sind, sind jetzt leer. Die Stadt, die niemals schläft, schläft wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben. Und das wirkt sich auch auf die New Yorker aus. 60 bis 70 Prozent meiner Freunde arbeiten im Tourismusbereich, und wir hören jeden Tag von neuen Entlassungen. Viele Restaurants und Hotels haben schon Leute entlassen, in den USA ist das ja nicht wie in Deutschland - hier kann einem einfach so von heute auf morgen gekündigt werden. Ich vermute, dass es in in nächsten Tagen noch drastischer wird. Vielleicht gibt es auch hier bald eine Ausgangssperre.

Gestern war ich im Central Park, dort war es voll. Das machen viele New Yorker jetzt: Weil alles zumacht, gehen sie raus.“

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