Textilbranche Modehandel fordert Abschaffung von 2G

Düsseldorf · Die wirtschaftliche Lage hat sich laut dem Branchenverband BTE durch die Beschränkungen verschärft. Die Stimmung in den Läden sei teils aggressiv. Beschäftigte würden angepöbelt und bespuckt.

             

            

Foto: dpa/Arne Dedert

Der Modehandel verlangt einschneidende Änderungen an den aktuellen Corona-Bestimmungen im deutschen Einzelhandel. „Wir fordern die Abschaffung von 2G“, sagte Steffen Jost, Präsident des BTE-Handelsverbandes Textil-Schuhe-Lederwaren, in einer Telefonkonferenz. Wenn das nicht passiere, müsse es zumindest Regeln geben, die überall eine stichprobenartige Kontrolle erlaubten. Dies ist beispielsweise in Bremen und Schleswig-Holstein der Fall, teilweise auch in Nordrhein-Westfalen. Sinnvoll sind aus Sicht von Jost Bändchen-Lösungen. Wo diese Bändchen genutzt werden, wird der Kunde an einer Stelle kontrolliert, bekommt dieses Band (oder auch einen Stempel auf die Hand) und weist damit in allen folgenden Ladenlokalen oder auf einem Weihnachtsmarkt nach, dass sein Impf- oder Genesenenstatus bereits kontrolliert worden ist.

BTE-Vize Andreas Bartmann sprach von einer teilweise sehr aggressiven Stimmung in den Geschäften. Mitunter werde die Belegschaft bespuckt oder angepöbelt. „Die Polizei zu rufen bringt nichts, weil es zu lange dauert, bis die Beamten vor Ort sein können“, sagte Bartmann, der auch Mitglied der Geschäftsführung beim Hamburger Outdoor-Spezialisten Globetrotter ist. Ein Problem sei das vor allem für Frauen, heißt es; die bildeten den Großteil der Beschäftigten im Modehandel. Sie hätten mitunter Angst, von Kunden das Vorzeigen von Impf- und Personalausweis zu verlangen. Natürlich wolle auch der Handel seinen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten, aber „so wird es nicht besser“. Die Kontrollen müssten erleichtert, zusätzliche Kosten dafür den Unternehmen erstattet werden.

Die 2G-Regeln haben aus Sicht von Jost die wirtschaftliche Lage der Branche gewaltig verschärft. „Wir sind in einer dramatischen, vielfach existenzbedrohenden Situation“, sagte der BTE-Präsident. Durch die Zulassungsbeschränkung auf Geimpfte und Genesene hätten sich die Kundenzahlen in den Innenstädten halbiert; teils lägen sie sogar um mehr als 50 Prozent unter dem Niveau von 2019. In der Woche nach dem ersten Advent (Ende November/Anfang Dezember) seien die Umsätze im Schuh- und Textilhandel um rund 35 Prozent eingebrochen.

Für das Gesamtjahr erwartet Jost ein Erlösminus von etwa fünf Prozent gegenüber dem auch schon durch die Pandemie geprägten Jahr 2020. Das wären dann noch Umsätze von 35 Milliarden Euro, etwa 15 Milliarden Euro weniger als im Vor-Corona-Jahr 2019. „Unsere Branche ist mit Abstand am härtesten getroffen, weil es bei uns anders als beispielsweise im Elektronikhandel kaum nachgeholte Einkäufe gibt“, erklärte der BTE-Präsident. Hilfsgelder des Staates könnten das Minus der betroffenen Unternehmen nicht adäquat kompensieren. Im Frühjahr des kommenden Jahres, wenn die Kredite der bundeseigenen Förderbank KfW bedient werden müssten, drohe alles noch schlimmer zu werden. Jost sprach von einem „sinnlosen Bauernopfer“, mit dem die Politik Handlungsfähigkeit demonstrieren wolle, und von einer Zumutung, was die Kon­trollpflichten angeht: „Wir sind keine Hilfspolizisten, die hoheitliche Aufgaben übernehmen müssen.“ Dank der existierenden Hygienekonzepte und der Maskenpflicht sei der Handel nach wie vor kein Hotspot in der Pandemie, so Jost.

Bereits am Wochenende hatte der Handelsverband Deutschland (HDE) für die Non-Food-Händler eine düstere Prognose gestellt: „Die Einführung der 2G-Regelung für den Einzelhandel mit nicht-täglichem Bedarf führt bei den Unternehmen zu schweren Umsatzeinbrüchen“, hatte der HDE nach einer Umfrage unter rund 1100 Händlern erklärt. Mehr als 70 Prozent der Handelsunternehmen blickten mit negativen Erwartungen auf die restlichen Tage des Jahres.

Auch aus der Opposition sind solche Forderungen bereits laut geworden. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, hat zuletzt in Ende der 2G-Regeln im Einzelhandel gefordert. „Die Politik ist gut beraten, ihre Entscheidungen einem Realitätscheck zu unterziehen. Danach sollten dem Einzelhandel nicht weiter strikte 2G-Regeln auferlegt werden“, sagte Steiger unserer Redaktion. Zudem kritisierte Steiger die geltenden Regeln zur 2G-Kontrolle in den Geschäften. „Wenn die Durchsetzung der staatlich verordneten bundesweiten 2G-Pflicht durch den Handel selbst erfolgen soll, werden einmal mehr staatliche Aufgaben auf die Wirtschaft übertragen“, sagte er. In Orten mit besonders hoher Inzidenz sollte die Kontrolle der 2G-Einhaltung nicht den Beschäftigten des Handels, sondern stichpunktartig Ordnungsamt und Polizei obliegen, forderte Steiger. „Wir alle beobachten in diesen Tagen in der Bevölkerung leider auch zunehmend aggressive Reaktionen auf die Corona-Politik.“ Nicht jeder kleine und mittelständische Einzelhändler könne sich einen Sicherheitsdienst am Ladeneingang leisten, sagte Steiger. 

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