Christoph Schmallenbach "Bei Rente werden Junge allein gelassen"

Düsseldorf · Der Chef der AachenMünchener Versicherung über die Zukunft der Lebensversicherung und die Entwicklung der Zinsen.

 Christoph Schmallenbach, Chef der AachenMünchener Versicherung

Christoph Schmallenbach, Chef der AachenMünchener Versicherung

Foto: Aachen Münchener

Aachen Christoph Schmallenbach ist Vorstandschef der AachenMünchener, des Lebensversicherers der italienischen Generali in Deutschland. In seinem Aachener Büro spricht er unter anderem über die Versäumnisse, die es aus seiner Sicht in der Politik gibt.

Bald sind Bundestagswahlen. Eines der Themen ist die Rente. Hat die Politik da Handlungsbedarf?

Schmallenbach Auf jeden Fall. Schauen Sie sich mal die Rentenprogramme der Parteien an. Die zielen alle auf die jetzige und die nächste Rentengeneration. Es geht um Rentenhöhe, Renteneintrittsalter, Mütterrente und anderes. Mehr als die Hälfte aller Wähler ist älter als 55 Jahre. Aber die jungen Leute, die bei der Rente in eine ganz ungewisse Zukunft schauen, werden dabei komplett allein gelassen.

Was soll die neue Regierung machen?

Schmallenbach Vor allem sollten die Verantwortlichen ehrlich zugeben, dass das staatliche Rentensystem in Deutschland im Kern nicht zu stabilisieren ist. Bei uns kommen pro Paar ungefähr 1,4 Kinder zur Welt, für die Sicherung des Rentensystems müssten es aber 2,1 Kinder sein. Uns gehen einfach die Beitragszahler aus.

Vielleicht die Beitragssätze erhöhen?

Schmallenbach Das halte ich nicht für ratsam. Damit steigt die Belastung der Arbeitnehmer, und das mindert das Einkommen, das für Vorsorge zur Verfügung steht. Das wäre also auch nicht generationengerecht.

Das Geständnis allein, dass die staatliche Rente so nicht mehr funktioniert, würde das Problem ja nicht lösen. Was soll faktisch passieren?

Schmallenbach Wir brauchen einen wahlperioden- und parteiübergreifenden Konsens, wie wir die Probleme angehen wollen . . .

. . . wie?

Schmallenbach Zum Beispiel finanzielle Bildung. Das ist für junge Leute ein Muss, damit sie begreifen, wie wichtig es ist, ihre Finanzen zu regeln und eben auch ihre Rentenlücke zu schließen. Dazu muss man aber wissen, wie groß die Lücke ist. Wichtig wäre das Fach Wirtschaft in der Schule, am besten ab der Mittelstufe. Dafür braucht es qualifiziertes Lehrpersonal. Das alles ist Sache der Bildungspolitik. Die Regierung muss außerdem eine Regelung zum Renteneintrittsalter definieren, die festgeschrieben wird und an der nicht wieder alle paar Jahre rumgedoktert wird. Und private Vorsorge muss noch leichter und attraktiver gemacht werden.

Beispielsweise?

Schmallenbach Riestern ist immer noch zu kompliziert. Warum kann man die Förderung nicht vereinfachen, indem man staatliche Zuschüsse an das versteuerte Einkommen koppelt und die Zulage im Rahmen der jährlichen Steuererklärung fließt?

Ist Riester nicht tot?

Schmallenbach Es gibt immer wieder Leute, die Riester totreden wollen. Aber das ist Unsinn. In Deutschland gibt es rund 16,5 Millionen Riester-Verträge und ungefähr 37 Millionen, die einen Anspruch auf Förderung aus einem solchen Vertrag hätten.

Wie sieht Ihre Riester-Bilanz aus?

Schmallenbach Die AachenMünchener hat knapp 1,3 Millionen Verträge, das ist ein leichter Anstieg gegenüber dem vergangenen Jahr.

Viele rufen doch die Fördergelder vom Staat überhaupt nicht ab.

Schmallenbach Das stimmt. Jeder Vierte schöpft seine Förderung nicht voll aus.

Nimmt die Bevölkerung das Problem der Altersvorsorge richtig wahr?

Schmallenbach Es gibt in unserer Gesellschaft so etwas wie eine Aufschieberitis - auch in der Lebensversicherung. Das ist eben kein schickes Auto, von dem man träumt und irgendwann sagt: Das leiste ich mir jetzt mal. Lebensversicherungen sind ein Push-Geschäft für die Anbieter. Wir müssen den Menschen immer wieder klarmachen, dass sie 40 Jahre in einen Sparvertrag einzahlen müssen, wenn sie im Alter ihren Lebensstandard halten wollen.

Zur Lebensversicherung: Verkaufen Sie in der Niedrigzinsphase noch Produkte mit Garantien?

Schmallenbach Zunächst mal: Wir wachsen bei den klassischen Altersvorsorgeprodukten gegen den Markttrend. Garantieprodukte verkaufen wir in Hybridversicherungen, also Mischungen aus fondsgebundenen und klassischen Tarifen. Unsere Kunden können mit einem Schieberegler selbst wählen - zwischen 100 Prozent Garantie und 100 Prozent fondsgebundenen Varian-ten ist alles möglich. Tatsächlich machen in unserem Neugeschäft klassische Garantien nur noch 15 Prozent aus, das ist halb so viel wie im Marktdurchschnitt. Wir wachsen auch stärker als der Markt. Vergangenes Jahr hatten wir ein Plus von 8,5 Prozent im Neugeschäft, der Markt eines von annähernd drei Prozent. Und es sieht so aus, als wenn das so weitergehen würde.

Was glauben Sie: Wann steigen die Zinsen wieder? 2019, wie es die Europäische Zentralbank voraussagt?

Schmallenbach Wir werden sicherlich in den nächsten beiden Jahren eine leichte Erholung erleben. Aber bis die Zinsen nachhaltig wieder anziehen, kann es auch noch ein paar Jahre länger dauern.

DIE FRAGEN STELLTE GEORG WINTERS

(gw)
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