Düsseldorf Chemie kritisiert Remmels "Spionage-Erlass"

Düsseldorf · Der Umweltminister verlangt, dass Unternehmen ihre Ausbaupläne detailliert ins Internet stellen. Nun schlagen die Chefs von Lanxess und IG BCE Alarm: Das öffne die Tür für Terroristen und Industriespionage.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) sorgt für anhaltenden Ärger in der Chemie-Industrie. Das Ministerium hat Firmen verpflichtet, bei Investitionen sämtliche Unterlagen im Internet öffentlich zu machen, die sie für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorlegen müssen. Andernfalls darf die Bezirksregierung auf Geheiß Remmels keine neuen Anlagen genehmigen. Der Erlass ist seit 2015 in Kraft, mit Lanxess traf er erstmals einen Konzern mit bedeutender Investition. Und dessen Chef Matthias Zachert wehrt sich nun.

Als der Kölner Konzern 60 Millionen Euro in den Ausbau von Anlagen der Leverkusener Agrochemie-Tochter Saltigo investieren wollte, musste er gleich 140 Seiten ins Netz stellen - darunter die gesamte technische Beschreibung der neuen Anlagen. Saltigo hat in Leverkusen 1100 Mitarbeiter. "Eine solche Offenlegungspflicht hat nichts mit Transparenz zu tun, sondern spielt chinesischen Wettbewerbern und terroristischen Vereinigungen in die Hände", sagte Zachert unserer Redaktion. So könnten Kriminelle den Unterlagen entnehmen, wo verwundbare Bereiche einer Anlage seien, und diese Informationen für terroristische Zwecke missbrauchen. "Zugleich öffnen wir mit diesen Veröffentlichungen Industriespionen Tür und Tor."

Man habe in vielen Gesprächen versucht, das Ministerium zur Rücknahme der Regelung zu bewegen, sei aber auf Granit gestoßen. Zachert warnte: "Mit dieser dogmatischen Haltung schadet Umweltminister Remmel dem Industriestandort. Er gefährdet Innovationen und Arbeitsplätze in NRW."

Basis des Erlasses sind EU-Vorgaben, wonach bei Investitionen die "betroffene Öffentlichkeit" zu informieren ist. Doch wie in anderen Fällen (schulische Inklusion) hat NRW offenbar die EU-Vorgabe verschärft und verlangt eine Veröffentlichung im Internet. So wie NRW handhaben es nur Sachsen und Niedersachsen. Die anderen 13 Länder verlangen keine Unterlagen im Netz, sondern lassen sie etwa auslegen.

Auch das Bundeswirtschaftsministerium ist besorgt. "Das Ministerium teilt Ihre Bedenken hinsichtlich der Veröffentlichung von Antragsunterlagen im Internet", schrieb Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) 2016 an Unternehmerverbände. "Auch die angesprochenen Gefahren terroristischer Aktivitäten nehmen wir ernst."

Zachert betonte: "Wir stellen eine Beteiligung der Öffentlichkeit nicht infrage, wir und der Chemieparkbetreiber informieren intensiv vor Ort. Doch die Veröffentlichung sensibler Daten im Internet lehnen wir ab." Weiter erklärte der Lanxess-Chef: "Wir bekennen uns zum Standort NRW, wir haben zwischen 2014 und 2016 hier 500 Millionen Euro investiert. Solche Investitionen sind in Gefahr, wenn Herr Remmel in NRW weiter so industriefeindliche Politik macht." Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) habe stets ein offenes Ohr für die Industrie, betonte Zachert. "Er hat mit seinen industriepolitischen Leitlinien richtige Schritte unternommen, doch Remmel schadet mit seiner Politik Industrie und Arbeitsplätzen."

Auch die Gewerkschaft IG BCE ist alarmiert. "Die Grünen müssen sich über die Investitionszurückhaltung der heimischen Industrie nicht wundern, wenn sie ihr bewusst solche bürokratischen Knüppel zwischen die Beine werfen wie in NRW", sagte IG BCE-Chef Michael Vassiliadis. Zu erzwingen, dass vertrauliche Technologien ins Internet zu stellen sind, habe nichts mit Transparenz zu tun. Durchleuchtet würden nur die Antragsteller - und zwar von Konkurrenten weltweit. "Remmel will sich auf Kosten der heimischen Wirtschaft profilieren - und bremst die Schaffung neuer Jobs", kritisierte Vassiliadis.

Der Minister wies die Kritik zurück. Hier solle das Recht der Bürger auf eine moderne Möglichkeit zur umfangreichen Information eingeschränkt werden. Remmel betonte: "Sicherheitsrelevante Informationen über Anlagen müssen ebenso wenig veröffentlicht werden wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Deren Schutz wird dadurch sichergestellt, dass der Antragsteller eine entsprechende Kennzeichnung seiner Unterlagen vornimmt, die dann weder ausgelegt noch im Internet veröffentlicht werden." Dazu aber brauche man die Genehmigung der Behörde, und das verzögere das Verfahren weiter, sagt die Wirtschaft. Das sei aber noch nie vorgekommen, so Remmel. Immerhin: Nun hat Remmel alle Beteiligten zum runden Tisch geladen.

(anh)
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