Klein, kompakt und teuer Das sind die neuen Trends bei Wohnmobilen
Düsseldorf · Die Preise für Reisemobile legen zu, gerade kleinere Fahrzeuge liegen im Trend. Dabei steigt die Qualität und Fahrsicherheit auch dank Digitalisierung. Ein Hersteller bietet das Laden von E-Autos im hinteren Teil des fahrbaren Wohnzimmers an.
Wie lautete der Trend bei Wohnmobilen viele Jahre lang? Immer größer, immer außergewöhnlicher, damit die relativ kleine Zielgruppe auch etwas zu bestaunen hatte. Wie lautet der Trend bei Wohnmobilen zur Zeit der Pandemie? Viel mehr Nachfrage als früher, weil massenhaft neue Käufer dazukommen. Deutlich höhere Preise für Neuwagen, aber auch für Gebrauchtfahrzeuge, weil der Bedarf so hoch ist. Und gleichzeitig sind kleinere, kompaktere Wagen begehrter, weil immer mehr Familien das Auto auch als halbwegs normalen Zweitwagen nutzen, anstatt sich ein Wohnmobil nur für die schönsten Wochen des Jahres zu leisten.
Der Caravaning-Industrie-Verband (CIVD) hat anlässlich der bevorstehenden Messe Caravan-Salon in Düsseldorf den Beweis eines breiten Booms veröffentlicht: Im gesamten Jahr 2020 stieg die Zahl der neu zugelassenen Wohnmobile in Deutschland um sensationelle 44,8 Prozent auf 78.055 Stück, nachdem der Verkauf davor schon zehn Jahre lang gestiegen war. Hinzu kamen in 2020 fast 30.000 Wohnwagen, deren Absatz nur um 8,2 Prozent stieg. Dabei flacht die Nachfrage nur minimal ab: Um noch einmal knapp 13,5 Prozent legten die Neuzulassungen von Wohnmobilen im ersten Halbjahr auf 57.639 Stück zu, die Wohnwagenzulassungen sanken allerdings um zwölf Prozent.
Interessenten von Wohnmobilen müssen sich auf heftige Aufschläge gegenüber früher einstellen: Obwohl sich die Branchenkenner einig sind, dass im Schnitt etwas kompaktere Wagen als früher gekauft werden, stieg der durchschnittliche Verkaufspreis um 2,6 Prozent auf 73.829 Euro für ein Fahrzeug. „Bei gleicher Ausstattung sind gegenüber 2018 Aufschläge von mindestens zehn Prozent zu erwarten“, sagt ein Brancheninsider. Geschenktes Zubehör gebe es zur Verkaufsförderung viel seltener als früher. Ein in Essen lebender Besitzer eines Wohnmobils des Typs Sky von Knaus rechnet vor: „2012 haben wir für das Fahrzeug neu rund 70.000 Euro bezahlt. Aktuell werden zwischen 90.000 und 100.000 Euro bei einer vergleichbaren Größe und Grundausstattung verlangt.“
Die Knappheit bestimmter Teile treibt die Preise weiter. „Wir können die weiterhin sehr hohe Nachfrage teilweise nicht bedienen“, sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des CIVD. Wartezeiten auf ein neues Auto bis zu einem Jahr Dauer seien keine Ausnahme. „Die Preise für Reisemobile steigen zum Modelljahr 2022 teilweise um mehr als 4000 Euro“, meldet die Fachzeitschrift „Pro Mobil“.
Dabei steigt die Qualität immer weiter. Gute Noten erhält Fiat für den Neustart des Ducato als Basisfahrzeug für viele Wohnmobile. Es muss also keineswegs ein Mercedes oder VW sein, um zuverlässig und bequem über viele Jahre lang ans Ziel zu kommen. Vielfältige Digitalfunktionen von Telefonie bis zur Integration von Apple Carplay sind beim 40 Jahre alten Ducato nun nutzbar, auch Abstandsautomat, Verkehrszeichenkennung, Müdigkeitsassistent und ein gerade bei Wohnmobilen hilfreicher Einparkassistent sind verfügbar. Ab 2022, so Fiat, kann das Auto in bestimmten Szenarien „selbstständig lenken, beschleunigen und bremsen“ – die lange Anreise ans Mittelmeer oder nach Schweden könnte also etwas einfacher werden.
Mit dem Nugget steht Ford schon länger in Konkurrenz zum etwas schmaleren und deutlich teureren VW-Bus, doch auch viele Spezialfirmen nutzen den Ford Transit für ein nicht ganz so großes Wohnmobil. So bietet Bürstner den nur knapp fünf Meter langen Copa an, der inklusive kleiner Küche und Aufstelldach als Basismodell mit vier Schlafplätzen 39.990 Euro kostet, doch mit Extras wie einer Dieselstandheizung, Anhängerkupplung und Einzelsitzen stehen schnell viele Tausend Euro mehr auf der Rechnung.
Wohnmobile mit Elektromotor liegen wegen des hohen Akku-Gewichts logischerweise noch nicht im Trend, aber es gibt Rettung: Das Luxuswohnmobil Vario Perfect 1200 bietet an, einen kleinen E-Wagen sowie zwei E-Bikes in der Garage hinten aufzuladen. Die Solarzellen auf dem Dach sollen den Strom teilweise liefern. Das klingt umweltfreundlich, was vom Spritverbrauch des 530-PS-Motors nicht behauptet werden kann. Der Preis von deutlich mehr als 400.000 Euro ist auch ein Wort.