Kölner Start-up setzt auf weibliche Business Angels „Von männlichen Investoren wurde ich oft nicht ernst genommen“

Düsseldorf/Köln · Das Start-up „Raketenstart“ aus Köln unterstützt Unternehmen bei Rechtsfragen, damit sie hohe Anwaltskosten vermeiden. Finanziert wird es vor allem durch weibliche Business Angels. Das ist noch immer eine Seltenheit.

 Juristin Madeleine Heuts gründete 2021 das LegalTech-Startup „Raketenstart“ in Köln.

Juristin Madeleine Heuts gründete 2021 das LegalTech-Startup „Raketenstart“ in Köln.

Foto: Raketenstart

Weibliche Investorinnen sind in der Start-up-Szene noch immer in der Unterzahl. Nicht so bei „Raketenstart“: Das LegalTech-Startup von Gründerin und Juristin Madeleine Heuts hat kürzlich seine erste Finanzierungsrunde abgeschlossen – mit 90 Prozent weiblichen Investorinnen.

„Mit Raketenstart digitalisieren wir Rechtsthemen für Unternehmen“, sagt Heuts. Konkret helfe ihr Team jungen Start-ups sowie kleinen bis mittelständischen Unternehmen dabei, rechtliche Risiken im Unternehmen zu finden sowie Verträge innerhalb von Minuten zu erstellen – ganz ohne Anwalt. Denn viel „Kleinkram“ könnten Gründer mit dem nötigen Wissen ganz einfach selbst in die Hand nehmen. „Während der schulischen Ausbildung wird keinerlei juristisches Wissen vermittelt, wenn man nicht Jura studiert“, sagt Heuts. Das 2021 gegründete Unternehmen sei daher stark vom Bildungsgedanken geprägt: Mit einem Abo-Modell, das im April startet, sollen Kunden bereits ab 39 Euro pro Monat ein Einsteigerpaket mit Vertragsvorlagen und Video-Kursen zu wichtigen rechtlichen Grundlagen für Unternehmen erhalten.

Die Idee sei der heute 29-Jährigen vor wenigen Jahren während des Jurastudiums gekommen, als ein Freund von Heuts eine Markenrechtsabmahnung erhielt. Er bat sie um Hilfe, da er sich einen teuren Anwalt nicht leisten konnte. „Das Geschäftsmodell von Anwälten ist es, nach Zeit abzurechnen“, sagt Heuts, denn diese werden meist auf Stundenbasis bezahlt. Die wenigsten würden einen potenziellen Mandanten ablehnen – selbst dann, wenn sie nicht der ideale Experte für ein Thema seien.

An dem Punkt wolle Raketenstart ansetzen. „Es geht nicht darum, Anwälte zu ersetzen, sondern darum, dass Unternehmen ihr Budget für die Beratung durch Anwälte in die Themen investieren, die wirklich wichtig für das Unternehmen sind und eine individuelle Lösung brauchen“, sagt die Gründerin. Raketenstart arbeitet dafür mit einem Netzwerk aus Partneranwälten zusammen. 80 Prozent aller Anfragen bestünden aus wiederkehrenden Fragen und ließen sich automatisieren – für die restlichen 20 Prozent vermittelt Raketenstart seine Kunden an den geeigneten juristischen Experten für ein kostenloses Erstgespräch und eine Beratung zum Festpreis. „Damit lösen wir auch für Anwälte ein riesiges Problem, weil wir die Kunden juristisch vorbilden und sie dann erst mit den Themen bei ihnen landen, die juristisch und wirtschaftlich spannend sind“, so die Juristin.

Lange finanzierte Heuts ihr Unternehmen selbst, mittlerweile hat sie sich mehrere Investorinnen und Investoren ins Boot geholt. Dass diese größtenteils weiblich sind, war für die Gründerin eine Herzensangelegenheit. Denn sowohl unter Gründern als auch unter Investoren dominiere der männliche Anteil immer noch stark. „Der klassische Gründer ist BWL-Absolvent einer Privatuni“, sagt Heuts. Es brauche dringend mehr weibliche Gründerinnen, Menschen mit Migrationshintergrund und jene ohne Akademikereltern. „Von männlichen Investoren wurde ich oft nicht ernst genommen. Ein Investor sagte sogar zu mir, ich solle einen männlichen Co-Founder hinzuholen, damit jemand mit ‚richtig Ahnung’ dabei ist“, sagt sie. Mehrmals sei sie gefragt worden, wann sie denn Kinder kriegen wolle. Weibliche Solo-Gründerin Ende 20 – viele Investoren sehen darin ein Risiko.

Über die Netzwerk-Plattform LinkedIn machte sich Heuts gezielt auf die Suche nach weiblichen Business Angels. Die erste, die einstieg, war Nadine Lilienthal. Für die promovierte Rechtsanwältin und Gründerin war es das erste Angel Investment. „Kanzleien, wie es sie seit Jahrzehnten gibt, werden mehr und mehr zum Auslaufmodell“, sagt Lilienthal. Das Konzept von Raketenstart habe sie sofort überzeugt. „Madeleines Produkte machen juristische Materie einfach zugänglich. Die Sprache, die hier gesprochen wird, ist kein Juristendeutsch, sondern klar und verständlich.“

Lilienthal sei es wichtig, in Frauen zu investieren. Ebenso wie Anna Fedulow, Gründerin des Business-Angel-Syndikats Croton Capital – also einem Zusammenschluss aus erfahrenen Geschäftsfrauen, der sich auf unterrepräsentierte Gründerteams fokussiert und Fedulow zufolge „wie ein multiplizierter Business Angel agiert“. Seit 2017 ist Fedulow im Angel Investment tätig und denkt, dass Frauen es auf beiden Seiten – als Gründerin wie auch als Investorin – noch immer schwerer haben, erfolgreich zu sein. Gegenseitige Unterstützung sei daher wichtig. „Zusammen können wir als Business Angels mehr erreichen und aufgrund unserer gemeinsamen, sehr breit gefächerten Expertise und Erfahrung nicht nur besser investieren, sondern auch auch einen höheren Mehrwert für unsere Portfoliounternehmen schaffen“, sagt sie.

Viele Investorinnen setzten sich aktuell gezielt auf die Agenda, weibliche Gründerinnen zu unterstützen, sagt Heuts. Das sei wichtig: „Frauen bekommen weniger Risikokapital“, sagt sie. Nur zwei Prozent des Risikokapitals gingen an Gründerinnen. Aktuell gebe es zwar mehr Sichtbarkeit für Frauen, aber untereinander schwinge oft noch ein Konkurrenzdenken mit: „Vielleicht ist es anerzogen“, sagt sie. „Wir müssen aufhören uns, als Konkurrenz zu sehen, sondern uns viel mehr unterstützen und zusammenschließen.“ Erst dann werde sich wirklich was ändern.

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