Gesetzentwurf des Landwirtschaftsministers Bürger sollen Vorräte für Notfall anlegen

Berlin · Lebensmittelmarken und Lager für Weizen und Kondensmilch: Was in der Zeit des Kalten Krieges eingerichtet wurde, will das Landwirtschaftsministerium jetzt teilweise abschaffen. Das Bundeskabinett wird dazu einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen.

Diese Hilfsmittel für den Notfall gibt es
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Foto: Christoph Reichwein

Ob ein Kraftwerk explodiert, ein nie dagewesener Finanzcrash oder ein Wirbelsturm das öffentliche Leben lahmlegt oder feindliche Truppen Deutschland angreifen: Im sehr unwahrscheinlichen Ernstfall gelten Vorschriften für die staatliche Notversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Doch die Regeln sind einst in Zeiten des Kalten Krieges geschaffen worden, die Maßnahmen sind teils nicht mehr zeitgemäß. Das Bundeskabinett wird deswegen am heutigen Mittwoch einen Gesetzentwurf von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) auf den Weg bringen, der die Notversorgung neu regeln wird.

Aus dem Entwurf, der unserer Redaktion vorliegt, geht hervor, dass das wirksamste Mittel für einen Notfall Vorräte in Privathaushalten sind. Eine Pflicht zur Bevorratung ist nicht geplant. In einem früheren Konzept hat die Bundesregierung bereits empfohlen, einen individuellen Lebensmittelvorrat von zehn Tagen vorzuhalten. Bei Trinkwasser sollen je zwei Liter pro Person und Tag für fünf Tage im Haus sein.

Neuer Gesetzentwurf für Notfallbevorratung

In dem Entwurf heißt es dazu: "Regulatorische Vorgaben zur Vorratshaltung im häuslichen Bereich der Bürgerinnen und Bürger erscheinen jedoch wenig zielführend, da deren Einhaltung praktisch nur schwer vollziehbar wäre."

Stattdessen soll laut Entwurf die staatliche Aufklärung über den Selbstschutz der Bevölkerung zur gesetzlichen Aufgabe der Behörden werden. Im Klartext: Der Staat muss seine Bürger mehr als bisher darüber informieren, wie man am besten für den Ernstfall vorsorgt.

Auch bei Wurstfabriken ist staatlicher Eingriff denkbar

Gleichzeitig soll das Ministerium in einer Versorgungskrise beispielsweise vorschreiben dürfen, dass nur noch große Einzelhandelsfilialen geöffnet werden dürfen — etwa, um bei einer Pandemie den hohen Krankenstand und Personalmangel verkraften zu können.

Außerdem soll bei einem flächendeckenden Stromausfall die Versorgung einzelner Filialen mit Notstromaggregaten gewährleistet werden können. Um Plünderungen zu vermeiden, sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, die Abgabe von Lebensmitteln unter staatliche Aufsicht zu stellen.

Wucherpreise sollen durch feste Abgabemengen oder Festpreise vermieden werden. Zudem sollen Lebensmittelhändler verpflichtet werden können, die bisher nur geringen Mengen vorgeschriebener Vorräte aufzustocken.

Dauert eine Versorgungskrise über Wochen an, könnten Betriebe verpflichtet werden, Mehl oder Brot herzustellen. Auch bei Schlachthöfen oder Wurstfabriken ist ein staatlicher Eingriff denkbar. Bei Enteignungen sieht das Gesetz eine Entschädigung vor.

Seit den 1960er Jahren gibt es geheime Lebensmittellager

Seit den 1960er Jahren existieren bundesweit an geheimen Orten riesige Lager etwa für Weizen, Linsen und Kondensmilch. 800.000 Tonnen lagern in Hallen fernab der Großstädte und an sensiblen Anlagen wie Tankstellen oder Atomkraftwerken. Auch diese Praxis solle im Rahmen der Gesetzreform überdacht werden, heißt es in dem Entwurf. Braucht es solche Rohstofflager? Wie kann die Versorgung besser gewährleistet werden? Das Gesetz sieht außerdem vor, die bürokratisch aufwendige Vergabe von Lebensmittelkarten abzuschaffen.

Der Bundesrechnungshof hatte immer wieder Kritik an den veralteten Regeln geübt. Diese stünden nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zwischen Aufwand in friedlichen Zeiten und dem Nutzen für die Bevölkerung im sehr unwahrscheinlichen Ernstfall.

In Deutschland regeln zwei Gesetze die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Das Ernährungssicherstellungsgesetz wurde 1965 verabschiedet und regelt die Lebensmittelvorsorgung im Verteidigungsfall. Der Staat kann per Verordnung Herstellung, Handel und Preise regulieren. Er darf zum Beispiel auch eine Verordnung erlassen, die Händlern auferlegt, ein Produkt für 48 Stunden nicht zu verkaufen.

Im Zuge der Tschernobyl-Katastrophe 1986 hat der Gesetzgeber 1990 das Ernährungsvorsorgegesetz erlassen. Es gilt für Krisen, die durch Umwelt- oder Naturkatastrophen verursacht werden und nicht etwa durch einen militärischen Zwischenfall. Es enthält im Wesentlich ähnliche Bestimmungen wie das Gesetz von 1965.

Mit der Zusammenlegung zweier alter Gesetze zu einem neuen sollen Staat und Wirtschaft entlastet werden, ohne die Versorgung der Bevölkerung zu gefährden. Der Bund will laut Gesetz so neun Millionen Euro einsparen, auch die Wirtschaft und Landesverwaltungen sollen geringfügig profitieren.

(jd)
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